Zu den Besonderheiten einiger zylindrischer Schalmeien der
Musikinstrumentensammlung der Hochschule für Musik des
Saarlandes
(Entstanden im Jahre 2010; vorgesehen als Vortrag an der Musikhochschule des
Saarlandes in Saarbrücken)
Wenn nun von „einigen
zylindrischen“ Schalmeien die Rede sein soll, so sind vor
allem die Instrumente gemeint, welche Sie hier auf meinem Rednertisch
vor Ihnen aufgereiht sehen können, und zu denen ich vorhabe,
diese während meines Vortrages eingehender vorzustellen und
einige davon auch ein bisschen anzuspielen. Es sind alles Instrumente
mit „Doppelrohrblatt“ und zylindrischer Bohrung und es
handelt sich ausschließlich um von mir selbst hergestellte
Musikinstrumente. Ich werde also heute auch Näheres zu den
Konzeptionen und Motivationen dieses „Selbermachens“
sagen.
Außerdem möchte
ich darauf hinweisen, dass diese Instrumente, welche ich speziell
für diesen Vortrag hier aus meiner Werkstatt in Berlin
mitgebracht habe, nun bereits als weiterer Bestandteil meiner
wissenschaftlichen Musikinstrumentenschenkung an ihre Hochschule in
Ihr Eigentum übergegangen sind.
Vielleicht kann ich
dazu noch anmerken, dass dies eben auch als Dank dafür, dass ich
hier die Möglichkeit habe, über bestimmte Problemsichten zu
musikinstrumenteller Technik vorzutragen zu verstehen sein sollte.(01)
Insofern möchte
ich nun anhand dieser selbstgemachten Exemplare auch in einem
weiteren Sinne über „Schalmeieninstrumente“ dieser
Art sprechen und muss nun auch darauf eingehen, warum ich da
eigentlich dieses letztlich doch so unscharfe Wort „Schalmei“
benutze.
Einer dieser Begriffe
der Musikinstrumentenkunde, bei dem vielleicht zumeist gewusst wird,
„was etwa gemeint sei“, aber eben doch nie wirklich klar
ist, was der Begriff wohl tatsächlich genauer bezeichnen soll.
(02)
Ich möchte mit dem
Wort Schalmei nun aber auch in einer unmissverständlichen Weise
umgehen können und habe im Zusammenhang damit auch ganz
bestimmte Absichten.
Üblicherweise wird
bei dem Wort „Schalmei“, welches wohl allgemein als
„volkstümliche Bezeichnung“ für bestimmte
„volkstümliche Instrumente“ verstanden wird,
zumeist doch an primitivere und/oder auch an historisch ältere,
bzw. an bestimmte, unseren moderneren Blasinstrumentenentwicklungen
vorhergegangene Musikinstrumentenerscheinungen gedacht. Aber daran
denke ich nun hinsichtlich der hier vorliegenden Instrumente gerade
nicht.
Mit diesen
Schalmeieninstrumenten möchte ich etwas ganz anderes aussagen
und vorführen,
denn es handelt sich
bei diesen nun nicht um das, was man ansonsten vielleicht als
„historische Musikinstrumente“ oder etwa den Versuch der
Revitalisierung des Gebrauchs alter Musikinstrumente im Sinne der
Wiederaufführung von „alter Musik“ oder Ähnlichem
verstehen möchte. Mir geht es hier vielmehr um ganz bestimmte,
durchaus mit dem Blick auf gegenwärtig mögliche und
vielleicht auch zukünftig denkbare Musikinstrumenten-Novitäten
konzipierte, moderne „vergleichsanalytische
Experimentalmodelle“, deren Herstellung nicht einfach im Sinne
der Rekonstruktion möglicher musikinstrumenteller
Vergangenheiten, sondern eher im Sinne eines besseren Verständnisses
bestimmter, gerade auch zukünftig weitersinnig nutzbarer
Möglichkeiten von bisherigen musikinstrumentellen Entwicklungen
betrieben wurde. Insofern geht es hier also auch um
„Schalmeien-Instrumente“ in einem ganz anderen
„Begriffssinne“ von „Schalmei“. Ich hoffe
dabei, dass es mir heute gelingen möge, gerade das, was ich
soeben in quasi „musikphilosophisch abstrakten Worten“
auszudrücken versucht habe, eben auch noch mit eher musikantisch
konkret vorführbaren Instrumentalbeispielen verdeutlichen zu
können.
Auf dem Wege dahin
möchte ich aber, nun wiederum als Philosoph, eine bestimmte, als
Widerspruch angelegte und auf weiteren Widerspruch und Veränderung
abzielende Position gegenüber der Musikwissenschaft
verdeutlichen, also eine entsprechende ’Parteiung’
aufmachen. Da ich als Philosoph zu denen gehöre, die stets
Veränderungen der Wirklichkeit im Sinn haben und dies natürlich
in der Arbeit an Begriffen und mit Begriffen zu bewerkstelligen
versuche, denke ich dann sowohl an ein im Prinzip ganz „unerbittlich
unverzichtbares“ Anliegen, welches nur als Forderung
akzentuiert werden kann, als auch an ein dabei zwar ebenso
unerbittlich notwendiges, aber doch auch für
Kompromissgestaltungen durchaus offenes Diskussions-Anliegen, in Form
eines Vorschlages.
Was meine Forderung
anbelangt, so könnte ich nun all das wiederholen, was ich
bereits mehrfach in Bezug auf die dringende Notwendigkeit einer
Modernisierung des Denkens zur „Systematik der
Musikinstrumente“ dargelegt habe. Ich denke eben, dass hier
unbedingt auf Veränderungen in den Musikwissenschaften
bestanden werden muss, und sehe in diesem Sinne - wie Sie aus all
meinen bisher hier gehaltenen Vorträgen wissen können -
auch voller Spannung dem von der Musikwissenschaft im Jahre 2014
entsprechend zu bedenkenden hundertsten Jahrestag der bekannten
Musikinstrumenten-Systematik von Sachs und Hornbostel entgegen, von
der Sie wissen, dass ich sie schon im Ansatz für grundsätzlich
verfehlt und dann auch hinsichtlich vieler Einzelheiten einfach für
völlig falsch halten muss.
Meiner Unerbittlichkeit
in dieser Angelegenheit kann ich aber von Fall zu Fall auch die Form
von entsprechenden „Diskussions-Anliegen“ geben, und in
diesem Sinne sieht dann auch mein Vorschlag in punkto „Schalmei“
folgendermaßen aus:
Dieser
musikinstrumentenkundlich bislang kaum klar festgelegte, letztlich
aber doch bereits fest etablierte Begriff sollte, meiner Meinung
nach, sowohl aufgrund seiner offensichtlich breitsinnigen
Bedeutungsvielfalt hinsichtlich allerlei möglicher, aber in der
Regel eben nicht flötenartiger bzw. „primär-aerophoner“
Blasinstrumente und auf Grund seiner offensichtlichen
Bedeutungskraft, die mit seiner Hilfe umrissenen Instrumente
vornehmlich unter historischem, also auch entwicklungsgeschichtlichem
Aspekt, zusammen zu erfassen, in einen anderen
musikinstrumentenkundlich-terminologischen Status erhoben werden.
Einen Status, welcher auch der Ehrwürdigkeit der
Instrumentalentwicklungen entspricht, denen er bislang schon, wenn
auch nicht immer in klar definierter Weise, tendenziell entsprochen
hat.
In diesem Sinne sollte
er nun, außer auf alle entsprechend angeblasenen Membranophone
(wie eben beispielsweise die hier von mir dazu heute vorgelegten
Instrumente) auch alle entsprechend angeblasenen Lamellophone
umfassen. Bezogen auf die sechs Bereiche systematisch zu
unterscheidender „angeblasener Röhrenkonstruktionen“
im Sinne des von mir in meinem letzten Vortrag vorgestellten
„systematisch – systemischen Expositions-Projektes“,
wäre dabei also zunächst deutlich, dass alle dort in den
Bereichen drei bis sechs erfassten Blasinstrumente unter den Begriff
der „Schalmei“ fallen. Es ist dann aber auch sofort zu
fragen, wie dabei denn nun der zweite Bereich, also die
„Bläserlippeninstrumenten“ zu betrachten wären.
Da ich bereits
vorgeschlagen habe, dass dortige primäre WESO, also die Lippen
des Bläsers, als „Polstermembranen“ aufzufassen,
liegt nun nahe, dass ich also auch dazu tendieren werde, dem
„Schalmeien-Begriff“ auch für diesen Bereich eine
grundsätzliche Gültigkeit zuzuordnen. Und auch wenn man
einwenden mag, dass er bislang doch zumeist eher in Hinsicht auf
klarinettenartige und oboenartige Instrumente verwendet wurde, muss
ich dem sofort zumindest ein sehr deutliches Beispiel eines in
volkstümlicher Weise als Schalmei bezeichneten
Bläserlippen-Instrumentes entgegen stellen. Zumal es sich bei
diesem auch um ein bemerkenswertes Original-Instrument aus dieser
Sammlung hier handelt. Ich meine das handliche „Thüringer
Hirtenhorn“, zu welchem ich, wie Sie sich vielleicht erinnern
werden, vorgeschlagen hatte, es in demonstrativer Weise als ein
„Holzinstrument“ neben einem hölzernen Zinken, in
den entsprechenden zweiten Bereich der angestrebten
systemisch-systematischen Exposition bestimmter Blasinstrumente
einzuordnen, in welchem manche Besucher doch eher
„Blechblasinstrumente“ erwarten mochten…
Dieses Instrument wird
nun in den Gegenden Thüringens, in denen es noch in der zweiten
Hälfte des vergangenen Jahrhunderts als Alltags-Werkzeug des
dortigen Hirtenwesens üblich war, von den Leuten allgemein als
„Hirtenschalmei“ bezeichnet. Wenn also dort das wohl in
ganz Deutschland bekannte Volkslied, „Es tönen die Lieder,
der Frühling kehrt wieder, es spielet der Hirte auf seiner
Schalmei“ zu bedenken ist, dann liegt auf der Hand, dass es
sich dabei um ein hölzernes Horn handelt. Ein Instrument,
welches dann freilich von Musikwissenschaftlern zuweilen auch
gerne - und dies keineswegs nur irreführend - als „kleinere
Variante eines europäischen Alphorns“ bezeichnet wird.
Obwohl es in Thüringen doch keine Alpen - aber eben viele
Menschen, die ihre dortige ’Hirtenschalmei’ noch kennen -
gibt.
Natürlich werden
wir uns, falls ein solcher umfassender Begriff von Schalmei zu
musikwissenschaftlicher Akzeptanz gelangen kann, verschiedentlich
gedanklich umstellen müssen. So etwa, dass dann ein so überaus
hoch und exquisit entwickeltes Musikinstrument wie die moderne Oboe
nun dem Wesen nach als Schalmeieninstrument zu gelten hätte, wo
es doch zuvor fast immer geradezu gegenteilig aussah, indem der
Begriff Schalmei da doch eher als – ich sagte es schon –
primitivere Vorform der demgegenüber eben viel edleren und
hochentwickelten Oboe zu gelten hatte. Aber sobald wir – um nun
dieses Beispiel erforderlichen Umdenkens und verbindlicheren
Eindenkens näher zu betrachten – hier die
musikwissenschaftliche Literatur näher anschauen, so finden wir
eben (zumal bei Sachs und Hornbostel) auch das glatte Gegenteil,
dass nämlich weitaus einfachere Instrumente als die moderne
Oboe, allein aufgrund der Tatsache, dass sie über
„Doppelrohrblatt“ und konische Bohrung verfügen,
schon als Oboen bezeichnet werden. Und in Hinsicht auf die
Klarinette, deren historischer Vorläufer, das Chalumeau,
schließlich eine Bezeichnung trägt, welche auch als ein
deutlicher Vorläufer unseres bislang üblichen Begriffes
Schalmei gelten kann, müssten wir uns auch immer wieder
entsprechend neu in einen neukonzipierten Begriff von Schalmei
eindenken und eben auch immer wieder umdenken können, wenn wir
es dann, was wir ebenfalls in der Musikwissenschaft finden, auch mit
solchen Instrumentenbezeichnungen wie „zylindrische Oboe“
zu tun haben können. Wieder ein ganz anderer Begriff von „Oboe“,
der sich nun lediglich auf den Umstand bezieht, dass wir es eben auch
mit Doppelrohrblättern an zylindrischen Röhren zu tun haben
können. Also genau mit solchen Instrumenten, wie ich sie heute
hier vor Ihnen ausgebreitet habe. Und da kann man nun fragen, ob
diese nicht doch vielleicht, in wohl ebenso berechtigter Weise, auch
alle als „Doppelrohrblattklarinetten“ zu bezeichnen
wären. Auch diese Darstellungsweise - welche zunächst auch
einleuchtend erscheinen mag – findet sich in der
musikinstrumentenkundlichen Literatur, wird von mir aber noch
heftiger abgelehnt. Und doch werde ich - und möchte dies hier
bereits vorweg gesagt haben - genau dieses Wort
„Doppelrohrblattklarinette“ in meinen weiteren
Ausführungen zu diesen Instrumenten hier alsbald benutzen.
Allerdings eben wiederum nur in einem ganz speziellen Sinn, der sich
dann eben nur auf solche speziellen Schalmeieninstrumente mit
zylindrischer Bohrung und Doppelrohrblatt bezieht, welche auch
tatsächlich über die klarinettenanaloge Möglichkeit
des Überblasens in die Duodezime verfügen. Also auf
Musikinstrumente, welche es - wie Sie wissen können - ,gemessen
am üblichen, oder auch „offiziellen“ Wissensstand
der Musikinstrumentenkunde, doch eigentlich gar nicht gibt. Aber
vielleicht werden Sie sich bereits denken können, dass ich hier
natürlich vorhabe, auch diesen „Wissensstand“
grundsätzlich zu erweitern. Und auf dem Wege dahin sollten eben
zunächst auch bestimmte Begriffe in klärender Weise
fixiert werden.
Ich möchte also,
auch im Sinne der Überwindung aller hier immer noch in
verunklarender Weise möglicher Hin- und Her- Bewegungen im
Umgang mit entsprechenden Begrifflichkeiten und Worten der
Musikinstrumentenkunde, doch gerne auf meinem Vorschlag einer
entsprechenden Umbewertung und „Bedeutungsneufestlegung“
des Wortes „Schalmei“ bestehen. Und das wird letztlich
auch bedeuten, dass, so gesehen, eben alle Instrumente des hier
vorgeschlagenen Projektes einer systematisch -systemisch
eingerichteten Exposition von Blasinstrumenten, bei welchem sechs
speziell zu unterscheidende Bereiche ins Auge gefasst wurden, damit
wiederum in zwei große Bereiche zerfallen: Einerseits die
Flöteninstrumente, also alle „primär-aerophonen
Blasinstrumente“ des ersten Spezialbereiches und zum anderen
also die „Schalmeieninstrumente“, die innerhalb der
anderen speziellen Bereiche erfasst werden und dann dort in einem
jeweils weiter zu differenzierenden Sinne als anzublasende
„Bläserlippen- oder eben Polstermembranen-Instrumente“,
sowie weitere entsprechend spezielle Membranophone und eben auch
unterschiedliche Lamellophone, unterteilt werden können.
Freilich ließe
sich für die Übernahme einer dementsprechenden
Begriffsfunktion nun auch eine ganz neue Wortkonstruktion, ein ganz
neuer musikwissenschaftlicher Begriff erfinden, und ich denke, dass
künftige Musikwissenschaft auch gezwungen sein wird, in
bestimmten anderen Fällen in einer solchen Weise aktiv zu werden
und sich dann vielleicht zuweilen auch zu hässlichen neuen
Wortkonstruktionen hinreißen lassen wird. Ich denke aber eben
auch, dass uns, in unserem Falle hier, bereits gegenwärtig
dieses spezielle Wort „Schalmei“ zur Verfügung
steht, um mit dieser durchaus noblen Sprach-Möglichkeit einen
etwas klareren und auch klärenden Umgang mit entsprechenden
Worten und Begriffen der Musikinstrumentenkunde einzuleiten, und
setzte mich in diesem Sinne eben dafür ein, dieses aus meiner
Sicht durchaus besonders beachtenswerte und eben auch – wie ich
meine - besonders wertvolle Wort, bezüglich seines spezifischen
Wertes ernster zu nehmen. Diesen besonderen Wert sehe ich dabei –
wie ich hier zunächst vage formulieren möchte –
sowohl in Hinsicht auf seine besondere „etymologische Würde“,
als auch in Hinsicht auf die (meiner Meinung nach eben zu
vermerkenden) besonderen „Feinsinnigkeitsbedeutungen“
dieses Begriffes innerhalb der deutschen Sprache, die dann vielleicht
auch gelegentlich möglicher vergleichender Wort-Analysen im
Sinne der Erarbeitung eines sensibleren Verständnisses der
Mentalitätsgeschichte der Deutschen bedacht und deutlich
gemacht werden können.
Wenn man dies
unternehmen möchte, so bieten sich aus meiner Sicht zwar
zunächst nicht allzu viele spezifische Vergleichsmöglichkeiten
an, aber wir haben es dann doch zumindest mit einem überdeutlich
bedeutungsvollen „Begriffs-Pendant“ zu tun. Denn
schließlich wurden bislang außer mit dem Wort „Schalmei“
ja auch mit dem Wort „Pfeife“, welches ich im Weiteren
auch immer wieder benutzen werde, allerlei mögliche und dabei
ganz verschiedenartige Blasinstrumente bezeichnet oder auch
„umschrieben“.(03) Aber auch
in einem solchen Vergleich scheint mir letztlich das Wort „Schalmei“
innerhalb unseres Sprachgebrauches durchaus geeigneter, um daran,
eben auch im Sinne einer genauer festzulegenden,
musikwissenschaftlich besser umrissenen Bezeichnung, anzuknüpfen.
Eine Musikinstrumentenbezeichnung, welche eben auch weiterhin
eingehender im Sinne ihrer inhaltlichen Qualifizierung bedacht werden
sollte, um sie nicht künftig etwa einfach an der Seite von
„Tröten, Tuten und Hupen“ verlottern zu lassen; -
was schließlich innerhalb deutscher Sprachentwicklung auch
möglich ist.
Soweit zur Verteidigung
der von mir hier vorgeschlagenen Benutzung des Wortes.
Nun aber – was
mir letztlich viel wichtiger ist - zur weiteren inhaltlichen
Auslotung dieses Vorschlages selbst. Denn mit dieser
„Begriffsinitiative“ möchte ich schließlich
nicht nur Missverständnisse vermeiden oder vielleicht ein mir
besonders liebes Wort „wissenschaftsterminologisch“
aufgewertet wissen, sondern vielmehr deutlichere Orientierungen auf
besondere Verständnismöglichkeiten zu musikinstrumenteller
Technik eröffnen. Verständnismöglichkeiten, die wir
uns versagen oder eben auch immer wieder selbst verbauen würden,
wenn es uns nicht gelingen kann, irgendwann doch einmal auch mit
klareren Begriffen in den Musikwissenschaften umzugehen. Und in
diesem Sinne muss nun wiederum betont werden, dass wir es gerade
bei diesen, jetzt von mir unter dem Begriff „Schalmeieninstrumente“
zusammengefassten Instrumentalbereichen innerhalb des Gesamtgebietes
aller „natürlich-akustischen Musikinstrumente“, mit
einer Reihe von ganz außergewöhnlich bemerkenswerten und
auch höchst aktuellen Besonderheiten zu tun haben. Ähnlich
wie bei den Flöteninstrumenten, haben wir es auch bei Schalmeien
mit einem Musikinstrumentenbereich zu tun, der inzwischen offenbar in
besonderer Weise in Bewegung geraten ist.
Am deutlichsten
vielleicht innerhalb des dabei hervorzuhebenden, ganz neuartigen
vierten Bereiches von Blasinstrumenten mit Ganzmembran-Tongenratoren,
aber eben auch in Bezug auf ein von daher entstandenes neuartiges
Tonveränderungssystem, welches in künftigen
musikinstrumentellen Entwicklungen wohl auch für alle sechs
Bereiche relevant werden kann. Und mit neuen Beweglichkeiten werden
wir es wohl auch in Hinsicht auf den sechsten Bereich von
Tongeneratoren mit entsprechenden „durchschwingenden“
Zungen, also Musikinstrumenten, die bislang in Europa offenbar nur
ungenügend verstanden, aber andererseits auch wieder spezifisch
weiterentwickelt wurden, zu tun haben; - ganz abgesehen von einem
(wie ich in diesen Zusammenhängen ebenfalls bereits dargelegt
hatte) möglicherweise noch zu erwartenden, dann wiederum völlig
neuartigen, siebenten Bereich von möglichen
Schalmeieninstrumenten usw…
Bei dieser besonderen
Orientierung auf diesen spezifischen „Schalmeienbereich“
unter den Musikinstrumenten ist unser Blick nun nicht nur in Richtung
auf entsprechend mögliche zukünftige Entwicklungen zu
richten, sondern es muss dabei auch um ein besseres Verständnis
von Problemlagen bisheriger dortiger Entwicklungen gehen. Um dies zu
verdeutlichen, möchte ich wenigstens auf zwei entsprechend
mögliche Problemfragen hinweisen.
Warum ist eigentlich
die letztlich doch so einfache und auch technisch durchaus nahe
liegende sowie letztlich weitgehend problemlos zu verwirklichende
Idee der Kopplung einer oberständig schwingenden Zunge mit einer
konischen Bohrung (also das, was wir vom Saxophon und dem später
entstandenen Tarogato wissen) erst so spät entstanden und
verwirklicht worden, wo doch die viel schwierigere Herstellung
weitaus feiner angelegter konischer Bohrungen mit weitaus aufwändiger
konzipierten Doppelrohrblatt-Tongeneratoren schon lange zuvor so
überaus gut beherrscht wurde?
Vielleicht kann man
unter diesem Blickwinkel dann auch fragen, ob es nicht auch schon zum
Zeitpunkt der Erfindung der Klarinette durchaus nahe liegend gewesen
wäre, bereits damals eine Art „hölzernes Saxophon“
zu entwickeln, zumal ein solches Instrument dann doch auch
hinsichtlich der Herstellung seiner konischen Bohrung und seiner
damit in die Oktave führenden Überblaseigenschaften
durchaus unkomplizierter weiterzuentwickeln gewesen wäre als die
damaligen ersten Klarinetteninstrumente?
Ich weiß
freilich, dass es zu derartig gestellten Fragen auch bestimmte,
zuweilen auch ausgesprochen ausgeprägte Denkhaltungen gibt, die
solche Fragestellungen stets abweisen und prinzipiell für
sinnlos halten möchten und meinen, dass man über die
Geschichte und das Tun und Lassen bisheriger Generationen eben nicht
mehr wissen kann, als das, was in dieser Geschichte auch wirklich
tatsächlich stattgefunden hat, und diese also auch nicht
weitergehender befragen sollte…
Gegen eine solche,
letztlich eben doch einschränkende, Sicht ist auch nicht immer
leicht anzukommen.
Ich habe aber eine ganz
andere Sicht und Denkhaltung, in welcher die Welt und ihre Geschichte
eben unter dem Aspekt ihrer stets möglichen Veränderbarkeiten
und dem suchenden Blickwinkel nach den in allen Entwicklungen stets
auch in vielfältig alternierender Weise mitschwingenden
Veränderlichkeitstendenzen betrachtet werden.
Und um dies nun auch
noch in einer anderen, von mir ebenfalls bereits verschiedentlich
diskutierten Weise zu verdeutlichen, vielleicht auch folgende
Zusatz-Frage, die freilich nun wiederum von ganz anderer Qualität
ist und auch die spezielle Instrumentenbezeichnung erforderlich
machen wird, welche ich bereits angekündigt hatte:
Warum ist in diesen
musikinstrumentellen Entwicklungszusammenhängen eigentlich
bislang noch kein Instrument im Sinne einer
„Doppelrohrblatt-Klarinette“ entstanden - also ein
entsprechend zylindrisches, mittels einiger Klappen auch in die
Duodezime überblasbares Doppelrohrblatt-Instrument?
Und sofort liegt auch
die Frage an, ob und inwieweit so etwas auch tatsächlich möglich
sein könnte?
Diese Frage ist dann
aber nicht mehr nur in Worten und in der Theorie zu erwägen,
sondern letztlich nur im praktischen Experiment näher zu
beantworten.
Ich möchte Sie
also heute auch damit konfrontieren, welche Wege im Sinne eines
solchen Experimentierens ich seither beschritten habe und wie ein
solches Experiment bislang bei mir ausgegangen ist, und kann dazu
auch sogleich sagen, dass ich eben auch in diesem Sinne und zu diesem
Zweck die hier vor Ihnen liegenden Instrumente hergestellt und
ausgewählt habe.
Ich muss dazu aber auch
auf den in dieser Hinsicht wiederum ausgesprochen eigenartigen
geschichtlichen Hintergrund einer solchen musikinstrumentellen
Problemstellung in Europa hinweisen.
Wenn wir weltweit nach
entsprechenden Schalmeieninstrumenten – also immer noch nach
solchen mit zylindrischer Bohrung und Doppelrohrblatt –
Ausschau halten, so werden uns davon außerhalb Europas auch
heute noch die verschiedenartigsten Original-Exemplare innerhalb
gegenwärtigen musikantischen Gebrauchs begegnen können. Und
die damit hantierenden Musikanten werden dabei eben auch ihre
gegenwärtige, und keineswegs etwa nur “alte Musik“
machen. Unter den Blasinstrumenten der hier ausgestellten
Musikinstrumentensammlung befindet sich ebenfalls ein solches
durchaus ’gegenwärtiges Volksmusikinstrument’ aus
Mittelasien, bei dem sich die Größe seiner zylindrischen
Bohrung, aber auch seines, aus europäischer Sicht geradezu
riesenhaften Doppelrohrblattes, durchaus in den Dimensionen
entsprechend vergleichbarer Klarinetteninstrumente bewegen.
Als Europäer aber
stehen wir mit unseren entsprechenden Schalmeieninstrumenten vor
einer ganz anderen Situation. Wir werden hier vor allem an das so
genannte Krummhorn und eventuell noch die so genannte „Cornamusa“
(inzwischen oft auch – noch irreführender - „Cornamuse“
genannt) zu denken haben.
Beides in mehrfacher
Hinsicht höchst eigenartige, seltsame europäische
Musikinstrumente der Vergangenheit mit wiederum seltsamen und auch
überaus irreführenden Namen. Vom Letzteren ist vor allem
die Überlieferung dieses Namens(04) und eine etwas rätselhafte
bildliche und textliche Darstellung, aber keinerlei
Originalinstrument erhalten.
Wenn wir uns dann mit
dieser Problemsicht weiter in unserer Geschichte umschauen wollen,
begegnen uns noch andere, durchaus noch rätselhaftere
Eigentümlichkeiten: Wir können beispielsweise durchaus
häufig in alten Texten auf solche Instrumentennamen wie
Douchaine, Dolzaina und Dulciana etc. stoßen, mit denen
möglicherweise auch derartige Instrumente benannt wurden,
treffen dabei aber weder auf wirklich umfassend genauere
Instrumentenbeschreibungen, noch etwa dann auf klare ikonographische
Hinweise in dieser Richtung und schon gar nicht auf entsprechende
Originalinstrumente. So, als ob sich zwar diese Bezeichnungen und
einige Anmerkungen dazu in der Literatur festmachen konnten, es dazu
aber ansonsten vielleicht doch keinerlei entsprechend wirkliche
Instrumente gegeben habe.
Wir stehen damit also
letztlich auch ziemlich ratlos vor dem doch offenbar schwierig
herzustellenden Krummhorn. Denn zu dessen Geschichte wissen wir
ebenfalls weder Genaueres über die Geheimnisse seiner damaligen
Herstellung, noch über die Herstellung oder gar die genauere
Existenzweise seiner schlichteren Vorgänger. Viel eher können
wir dann noch etwas über weitere, jedoch wiederum überaus
schwierig herzustellende, durchaus kompliziertere und dementsprechend
seltene bzw. wohl auch eher als „höfisch“
aufzufassende Schalmeieninstrumente gleicher Art (also ebenfalls
Instrumente mit zylindrischer Bohrung und Doppelrohrblatt) erfahren,
wie etwa Tartölt, Korthold und Rankett. Wir erfahren, aber
nichts über entsprechende einfachere Vorläufer…
Es wird doch aber wohl
auch in Europa einfachere, ungekrümmte Schalmeien mit gerader
zylindrischer Bohrung und Doppelrohrblatt gegeben haben.
Aus
kritisch vergleichsanalytisch-organologischer Sicht gehe ich davon
aus, dass es solche Instrumente, also die eher ’ungebeugten
Geschwister’ des Krummhorns, nicht nur mit hoher Gewissheit
häufig gegeben haben muss, sondern, dass es sich bei diesen dann
auch mit Sicherheit um den Älteren dieser beiden Geschwister
gehandelt hat. Und dann auch davon, dass diese ältere Schwester
in der sozialen Wirklichkeit eines nun schon lange vergangenen
Musikantentums wohl zunächst auch mehrheitlich gegenüber
ihrem jüngeren Geschwister vertreten war. Wobei es dann diesem,
mit mehr förmlicher Eleganz ausgestatteten jüngeren wohl
mittels seiner zweifellos bemerkenswert ungewöhnlichen und
sowohl höchst geheimnisvoll, als auch einigermaßen
„künstlerisch-kunstvoll“ anmutenden, gekrümmt-
geziert zelebrierten „Bücklingshaltung“, offenbar
einfach besser gelungen ist, auf die höheren sozialen Ebenen
aristokratisch-höfischen Lebens, und so auch immer wieder in die
unmittelbare Nähe entsprechend reflektierend festhaltender,
künstlerisch und kunsthistorisch wirksam werdender Aktivitäten
und Aufmerksamkeiten, zu gelangen. Und so wissen wir eben heute –
was sich in der Geschichte wohl schon oft in gleicher oder ähnlicher
Weise zugetragen haben wird – über den minderheitlich
präsenten „Edlen“ (auch ganz unabhängig von
dessen möglichen tatsächlichen Verdiensten und Leistungen)
mehr, als über die wohl eher „von niederem Stande“
oder gar als „plebejisch“ anzusehenden, nun mehrheitlich
Untergegangenen. Diese aber wären im Sinne meiner
Klarinetten-Fragestellung nun die doch wohl zweifellos Wichtigeren,
denn am Krummhorn oder etwa am Rankett wären Weiterentwicklungen
in Richtung „Doppelrohrblattklarinette“ dann auch nicht
mehr nahe liegend gewesen. Das Krummhorn hatte wohl alsbald eine
feste Existenznische in kunstvoll-höfischer Umgebung gefunden,
wo es dann auch dem Rankett begegnet sein mochte, welches seinerseits
aber alsbald durch die Entwicklungen in Richtung Fagott wieder ins
Hintertreffen geraten musste, während das Krummhorn dann auch
heute noch, als zwar recht raffiniert gestaltetes, aber doch wohl
keineswegs besonders „hoch“ oder „weiterentwickeltes“
Musikinstrument, immer noch in den Händen vieler Liebhaber,
sozusagen „im Vordertreffen“, rangiert. Und diese Lage
der Dinge hat nun auch zu einem weiteren bemerkenswerten Phänomen
geführt.
Innerhalb
einer solchen, für dieses Instrument zweifellos
lebenserhaltenden Situation von historisierend verklärender
Liebhaber-Kultur werden inzwischen einige dieser Instrumente auch mit
zusätzlichen Klappen zur Erweiterung ihres Tonumfanges im oberen
Bereich ausgerüstet. Klappen, welche bei den historischen
Originalen keineswegs zu finden sind. Und wenn man dann innerhalb
dieses doch wesentlich historisierenden Krummhorn-Kultes Fragen in
Richtung „historischer Authentizität“ oder der
„historischen Treue in Hinsicht auf das Original“ oder
Ähnlichem stellt, wird man in der Regel zwei deutlichen
Antworten begegnen.
Zum
einen kann, unter nüchterner Absehung von der abstrakten
„Verpflichtung gegenüber historischen Originalen“,
ganz konkret und durchaus kaltblütig darauf verwiesen werden,
dass es sich eben um eine musikantisch erwünschte
Weiterentwicklung eines bestimmten Musikinstrumentes handelt, - also
auch um etwas völlig Normales.
Zum
anderen kann einem aber auch – und dann zumeist schon weniger
kaltblütig und vielleicht auch weiter eifrig historisierend –
vorgehalten werden, das zwar tatsächlich bei Krummhörnern
solche Klappen nicht vorgekommen sind, diese aber doch in alten
Texten hinsichtlich anderer ähnlicher damaliger Instrumente
erwähnt werden…
Beide
Antworten können sowohl eine gewisse Ernsthaftigkeit, als auch
eine bestimmte Berechtigung beanspruchen, bleiben jedoch letztlich
wieder seltsam, sobald wiederum der entsprechende geschichtliche
Hintergrund eingehender bedacht wird. Denn bei den in historischer
Musikinstrumentenliteratur zu findenden Hinweisen auf bestimmte
Instrumente mit Klappen, die sich nun vielleicht zur Übertragung
auf das Krummhorn anbieten könnten, handelt es sich gerade um
die Instrumente, über die wir – wie ich soeben geschildert
hatte – zwar in vielen alten Texten ihre Namen und auch
bestimmte weitere Hinweise, so unter anderem auch auf solche Klappen,
finden können, aber ansonsten eben gar nichts weiter finden.
Und hier kann man sich nun entscheiden: Falls man in diesen
Instrumenten keine „krummhornrelevanten“ Vorläufer
erkennen möchte, so wäre dann auch der Hinweis auf diese
„krummhornrelevanten Klappen“ letztlich selbst nicht mehr
sonderlich relevant. Wenn man aber - wozu nun ich durchaus neige –
in diesen vielleicht doch die noch ungekrümmten älteren
Brüder und Schwestern des Krummhorns vermuten möchte, so
wird die Sicht auf die Entwicklungsgeschichte dieses gekrümmten
Instrumentes eine noch seltsamere Angelegenheit. Denn diese wäre
dann vielleicht auch noch deutlicher in folgender Weise zu bedenken:
Die unübersehbar bemerkenswerten Formeigenschaften dieses
zweifellos bemerkenswerten Instrumentes, welches sich auf eine
seltsame Art zu einem in besonderer Weise beachtenswerten
Kunstgegenstand krümmen konnte, waren für das Erlangen
sicherer Existenzbedingungen herausgehobener,
höfisch-aristokratischer Art wohl wesentlicher als seine
eigentlichen Klangeigenschaften als Musikinstrument, denn diese
konnten von seinen Geschwistern, welche sich, offenbar in einem
musikantisch viel aktiveren Prozess, bereits Klappen zugelegt hatten,
damit wohl durchaus übertroffen werden. Trotzdem waren diese
vergleichsweise weniger ’sozial-herausgehobenen’
Instrumente alsbald zum Untergang verdammt, während sich die
Krummhörner auch später wieder in effektive
Überlebensverhältnisse einnischen konnten, innerhalb derer
sie dann sogar auf neuzeitliche Bestrebungen treffen konnten, welche
auch diesen „edlen historischen Musikinstrumenten“ nun
solche zusätzlichen Klappen angedeihen lassen wollen, über
welche ihre in der Geschichte längst untergegangenen unedlen
Geschwister wohl bereits vor hunderten von Jahren verfügten.
Über
welche sonstigen musikinstrumentellen Eigenschaften aber diese
Geschwister verfügten, und über welche weiteren Ideen und
Vorhaben die mit diesen Instrumenten umgehenden Musikanten und
Musikinstrumentenbauer aber damals bereits verfügt haben
mochten, das werden wir wohl kaum jemals erfahren können.
Insofern
knüpfen dann meine vergleichsanalytischen
Experimental-Bemühungen auch nicht an historisch vielleicht
irgendwie nachweisbaren oder anzunehmenden Vorläufer-Instrumenten
an, sondern ich versuche einfach, vergleichsanalytisch-systematisch
von den prinzipiellen akustisch-physikalischen Möglichkeiten
entsprechender Musikinstrumentenkonstruktionen auszugehen. Und es
erschiene mir ganz abwegig, dabei nun etwa das Krummhorn als
„entwicklungsoffene“ Vorlage oder gar als Ausgangspunkt
meiner Bemühungen zu akzeptieren.
Lassen
Sie mich dies nun an verschiedenen Instrumental-Details meiner
Instrumente näher erläutern, um damit auch endlich die hier
liegenden Instrumente alsbald in die Hand und an meine Lippen nehmen
zu können.
Angefangen
habe ich mit dem Bau derartiger Instrumente im Zusammenhang mit der
Herstellung meiner ersten Hümmelchen-Dudelsäcke zu Beginn
der 8oer Jahre in der DDR(05), denn da hatte ich mich – ebenso
wie damals wohl auch andere Hümmelchenhersteller in
Westdeutschland – bereits entschlossen, dies mit
Doppelrohrblättern zu tun. Wenn man hier eher von „authentischen
historischen Hintergründen“ hätte ausgehen wollen und
dieses Instrument dann also auch eher im Zusammenhang mit dem bei
Prätorius ebenfalls abgebildeten, deutlicher
osteuropäisch-slawisch tradierten Hümmelchen-Instrument
„Dudey“ zu interpretieren hätte, so wäre wohl
auch, oder gar eher, eine Verwendung von Tongeneratoren
osteuropäischer Art, also mit oberständig schwingender
Lamelle, angeraten gewesen.(06) Aber meine diesbezügliche Bevorzugung von
Doppelrohrblättern ergab sich bei mir aus der Faszination, die
ich bereits bezüglich des Klanges der Northumbrian-Small-Pipe
entwickelt hatte, und die Melodiepfeife dieses Instrumentes (welches
von seiner Größe her wohl ebenfalls als ein „Hümmelchen“
einzustufen und zu bezeichnen wäre) funktioniert schließlich
mit diesem Tongenerator und einer entsprechend dünnen
zylindrischen Bohrung. Es ergab sich also auch eine demgemäße
Hümmelchen-Melodiepfeife, welche bei mir allerdings recht kurz
und klein, also auch höher klingender als die üblicherweise
gebrauchten Krummhörner, konzipiert war. Später
experimentierte ich dann neben dieser sehr kleinen Schalmei für
die Tonarten D und G auch mit analogen Instrumenten in C/F und
Bb/Eb, die mir dann auch für mögliches
Überblas-Experimentieren besser geeignet erschienen, die ich
aber auch für reales Musizieren mit bestimmten anderen
tonartgebundenen Instrumenten innerhalb meines Musikensembles
benötigte. Diese drei Instrumente werde ich Ihnen nun kurz
anspielen, um Sie erst einmal mit deren besonderen
Klangeigenschaften, welche wohl keineswegs einfach die gleichen wie
bei üblichen Krummhörnern sind, zu konfrontieren.
Meine
ursprüngliche Hümmelchen-Melodiepfeife war ja auch im Sinne
eines eben besonders kleinen Dudelsäckchens konzipiert und es
war dabei auch durchaus schwierig, eine solche kleine Melodiepfeife
einigermaßen zuverlässig einzustimmen bzw.
intonationssicher zu spielen.
Um
später sowohl die genaueren Intonationsmöglichkeiten, als
auch allgemein die Präzision dieser Melodiepfeifen wiederkehrend
zu gewährleisten bzw. auch stets entsprechend verbessern und
verfeinern zu können, habe ich dann im Weiteren die nachfolgend
angeführten Spezialitäten und Besonderheiten bei der
Herstellung solcher Schalmeieninstrumente eingeführt bzw.
einzuhalten versucht, von denen ich Ihnen nun zunächst fünf
detaillierter nennen und dann noch eingehender vorstellen und
kommentieren möchte:
-
Es wurde stets eine zylindrische Bohrung von 4mm Durchmesser
angestrebt.
-
Alle meine zylindrischen Schalmeien wurden im Kopfbereich mit einer
dort eingelassenen präzisen Metallröhre gleichen
Innendurchmessers ausgerüstet, mit welcher gewährleistet
werden kann, dass sich der in dieser „Führungshülse“
eingesetzte Tongenerator auch problemlos sowie „akustisch
konfliktlos“ über einen größeren Stimmbereich
hinweg verschieben lässt.
-
Alle Tongeneratoren wurden alsbald aus immer dem gleichen sowie auch
stets „gleichstark“ dimensioniertem Folienmaterial eines
bestimmten, bewährten Plastewerkstoffes hergestellt, um dabei
sowohl möglichst feuchtigkeitsunempfindliche, als auch jeweils
möglichst gleichartige Tongeneratoren mit jeweils möglichst
genau einzustimmendem Eigenton gewährleisten zu können.
-
Dementsprechend sind alle dort einzusetzenden Tongeneratoren auch
auf einer entsprechend präzise angepassten sowie entsprechend
hauchdünnen Metallhülse bestimmter Länge aufgesetzt,
welche nur einen geringen, fast unmerklichen Unterschied von
höchstens zwei Zehntelmillimetern zwischen dem Innendurchmesser
dieses Tongeneratorenelementes und der jeweiligen Innenbohrung des
Instrumentes ergibt und außerdem ein problemloses Verschieben
des Tongenerators unter ständiger Gewährleistung seiner
sicheren „Abdichtung“ innerhalb seiner „Führungshülse“
ermöglicht.(07)
-
Zur Sicherung der Präzision der zylindrischen 4mm-Bohrung des
Schalmeienkörpers wurden später bei manchen Exemplaren
auch entsprechend präzise Metallröhren über die
gesamte Instrumentenlänge eingezogen.
Dazu
nun folgende detailliertere Anmerkungen:
Zu
dem für alle diese zylindrischen Schalmeien einheitlich
verwendeten Bohrungsinnenmaß von 4mm Durchmesser habe ich mich
aus mehren Gründen entschlossen. Ein wesentlicher Grund war
dabei natürlich die einfache Tatsache, dass mir dazu
hierzulande, also sozusagen in „Kontinentaleuropa“,
günstigerweise eine Vielzahl entsprechend metrisch
dimensionierter Werkzeuge und Materialien, mit denen ich schon in
meinem zuvorigen Arbeitsleben als Maschinenschlosser ständigen
Umgang hatte, zur Verfügung stand. Und da alle meine
anfänglichen Initiativen zur Selbstherstellung solcher
Musikinstrumente zunächst natürlich auch an die Adresse der
in der DDR lebenden Dudelsack-Enthusiasten gerichtet waren, habe ich
an diese stets in gleicher Weise gedacht. Dabei wusste ich natürlich
auch, dass das entsprechend bei der von mir ansonsten bewunderten
britischen Northumbrian-Small-Pipe oftmals etwas größere
Innenmaß von 4,2mm Durchmesser für die Melodiepfeife dort
wohl nicht deswegen anzutreffen war weil es etwa mit „überprüfter
Gewissheit“ als das „akustisch günstigere“
ermittelt werden konnte, sondern wohl eher deswegen, weil es sich
unter den auf dieser europäischen Insel üblichen, anderen,
Maß- und Messverhältnissen für Werkzeuge dort wohl
einfach als nahe liegender ergab. Zudem lag dabei auf der Hand, dass
sowohl hinsichtlich kleinerer Bordunpfeifen, als auch entsprechender
Melodiepfeifen von Hümmelchen-Dudelsäcken auch durchaus
noch kleinere Innendurchmesser möglich waren, wohingegen die
dabei ebenfalls zum Vergleich anstehenden üblichen Krummhörner
doch vorwiegend über größere und letztlich auch
gröbere Innenbohrungen verfügten, die mir hier auch aus
anderen Gründen nicht als vorbildlich erschienen. Ich ging
hingegen davon aus, dass ein kleinerer Durchmesser hinsichtlich der
Möglichkeiten des detaillierteren Berechnens oder dann auch des
genaueren Korrigierens von bestimmten Mensurverhältnissen
durchaus günstiger sein könnte, und hatte in diesem Sinne
auch schon mit diesem Durchmesser an Borduntönen experimentiert,
die sich aus entsprechenden Röhren von über 80cm Länge
ergaben. Eine besonders wichtige Frage war dabei für mich auch,
ob sich nicht mit einem solchen kleinen Innendurchmesser ebenfalls
noch entsprechend effektiv tieferklingende, also auch noch längere
Schalmeieninstrumente dieser Art, herstellen lassen könnten,
denn inzwischen beherrschte ich schließlich nicht nur die
Herstellung solch durchgehender 4mm-Bohrungen in den Dimensionen
kleiner Hümmelchenpfeifen, sondern auch bis zu einer
durchgehenden Länge von ca. 30 cm. Mit dem Blick auf die
bekannten Krummhörner, wäre da ein solch kleiner
Innendurchmesser für solche Längen ja nicht nahe liegend
gewesen. Inzwischen kann ich diese Frage auch beantworten und Ihnen
dazu nochmals die hier vorliegenden Schalmeien in einer
Instrumentenkörperlänge von 210 bis zu 280 mm, also von
den Tonarten D bis zu Bb anblasen, welche alle mit dem gleichen
Innendurchmesser und gleichen Tongeneratoren ausgestattet wurden.
Sie
wissen natürlich, dass diese drei Instrumente durchaus als
Krummhörner gelten würden, wenn sie nicht einfach gerade,
sondern eben im unteren Bereich gekrümmt gestaltet wären…
Nun
zur zweiten hier genannten Besonderheit meiner Instrumente, also der
im Kopfbereich stets fest eingelassenen Führungshülse für
entsprechende Tongeneratoren. Eigentlich eine zunächst ganz
simple, wenn auch herstellungstechnisch nicht immer ganz einfache
Angelegenheit, welche ich aber schon seit langem auch immer allen
entsprechend interessierten Schalmeienherstellern empfehlen möchte.
Den Tongeneratoren kann damit eine sichere und fest justierbare
Position ermöglicht werden, die jedoch auch stets wieder
veränderbar sein sollte. Veränderbar sowohl im Sinne eines
sicheren Einstimmens solcher Instrumente (wenn etwa an praktisches
Musizieren zu denken ist), als auch im Sinne des Erprobens und
weitgehenden Verschiebens verschiedener, dort jeweils wieder genau
einpassbarer, unterschiedlicher Tongeneratoren, wenn man etwa, und
dies spielte bei mir schließlich ständig eine Rolle, auch
die Möglichkeiten eines solchen Instrumentes als immer wieder
vergleichsanalytisch zu befragendes „audioorganologisches
Experimentalmodell“ im Sinn hat.(08)
Auf
die weitere Bedeutung dieser metallenen „Führungshülse“
werde ich aber wieder zurückkommen müssen. Zuvor möchte
ich jedoch zum dritten Punkt, also über die Besonderheiten der
von mir dann benutzten Tongeneratoren sprechen. Anfänglich hatte
ich natürlich das übliche „biotische Material
arundo donax“ zur Herstellung meiner Hümmelchen-Tongeneratoren
(09) verwendet und dabei auch gute Erfahrungen machen können.
Insbesondere gute Erfahrungen in Hinsicht auf die Möglichkeit,
damit selbst bei derart klein angelegten Dudelsackpfeifen ganz
erstaunliche Lautstärken erzielen zu können. Dies ist eine
Besonderheit, von der ich meine, dass sie von allen
Dudelsackinteressenten weiterhin im Auge behalten werden sollte. Der
Nachteil solcher biotischer Tongeneratoren besteht nun aber darin,
dass sie unter Feuchtigkeitseinfluss immer schwieriger hinsichtlich
ihrer Tonstabilität zu beherrschen sind. Das mag nun für
ein blasebalgbetriebenes Instrument, etwa in der Art der
Northumbrian-Small-Pipe, nicht so ein schwerwiegendes Problem, wie
für mein hier angegangenes Projekt sein, wo schließlich
sowohl an direkt mittels Windkapsel am Mund angeblasene Schalmeien,
als auch an mundbeblasene Dudelsackinstrumente, und erst in weiterer
Perspektive dann auch an entsprechend blasebalgbetriebene Dudelsäcke
zu denken war; - auch wenn ich selbst freilich die besonderen
Vorteile und spezifischen Möglichkeiten von
„Blasebalg-Dudelsäcken“ stets im Sinn hatte.
Aber
im Hinblick auf die in meinen Experimenten anstehenden
Tongeneratoren-Probleme ging es letztlich nicht nur um die Vermeidung
von Feuchtigkeitseinfluss, sondern auch um die Sicherung von immer
wieder gleichartigen Materialeigenschaften bei der Herstellung dann
vieler, experimentell immer wieder vergleichend zu erprobender
Tongeneratoren. Und insofern war ich geneigt, dabei den wohl eher
immer wieder naturwüchsig-biogen unterschiedlich geratenden
Materialeigenschaften von arundo donax letztlich doch weniger zu
trauen, als bestimmten, industriell eher immer wieder gleichartig
anfallenden Plastematerialien. Diese habe ich nun, wie im vierten
Punkt erwähnt, auf ganz besonders dünnwandige Metallhülsen
aufgebracht, um damit wiederum präzisere Vergleichsverhältnisse
beim Testen und Experimentieren mit solchen Tongeneratoren zu
gewährleisten. Und wenn ich nun über diese spreche, so muss
ich auch auf grundlegende sozialökonomische Veränderungen
eingehen, die in diesem musikinstrumentellen Zusammenhang, also
hinsichtlich der Möglichkeiten nun auch mit derartigen
Präzisionsmaterialien intensiver experimentieren zu können,
wesentlich für mich wurden. Freilich habe ich auch bereits in
der DDR zuweilen über entsprechend präzise
„Experimentiermaterialien“ verfügen können, da
ich - vornehmlich über bestimmte Bekanntschaften und
Beziehungen zu anderen Musikanten, welche wiederum über
Bekanntschaften und Beziehungen zu anderen Bereichen verfügten -
manchmal auch die Möglichkeit hatte, bestimmte hochwertige
Präzisionsmaterialien medizintechnischer Herkunft zu erhalten.
Meine ersten Versuche mit derartig dünnwandigen und präzise
verschiebbaren Tongeneratorröhren konnte ich so auch mit einigen
Zentimetern entsprechender „DDR-Feinröhrenmaterialien“
aus hochwertigstem Edelstahl unternehmen. Aber es handelte sich eben
immer nur um eher zufällig, und dann auch nur in kleinsten -
sozusagen in lediglich “labortechnisch verfügbaren“
– Restmengen, anfallende Materialien.
Die
Möglichkeit, auch sinnvollere Mengen solcher spezieller
Feinröhren mit entsprechend präzisen Abmessungen und den
erforderlichen Festigkeitseigenschaften gemäß meiner
Anforderungen, dann auch bei bestimmten Spezialfirmen anfertigen
lassen zu können, ergab sich für mich (wenn natürlich
dann auch nur mit sehr hohem Kostenaufwand) letztlich erst nach 1990.
Und insofern habe ich mit den hier hinsichtlich solcher
Präzisionsmaterialien beschriebenen Besonderheiten meiner
zylindrischen Schalmeien (also bezüglich des Röhrenmaterials
der entsprechenden Tongeneratoren sowie der zuweilen in den
„Schalmeien-Holzkörper“ durchgehend eingezogenen
dünnwandigen 4mm-Präzisionsröhren) gewissermaßen
auch den Bereich wesentlich „heimwerkelnd-bastlerisch“
ausgerichteter Musikinstrumenten-Selbstbau-Aktivitäten, an den
ich mich ansonsten in allen Aspekten dessen, was ich selbst noch kann
und also auch anderen Interessenten noch empfehlen könnte, doch
zumeist gebunden und verpflichtet gefühlt hatte, verlassen.
Derartige Präzisionsmaterialien werden unverzichtbar, sobald man
bestimmten Fragen akribischer nachgehen möchte, sind aber doch
wohl für den eher amateurisch-folkloristisch orientierten
Musikinstrumenten-Selbstbau kaum noch nahe liegend. Und sie sind auch
in der Präzision, die mir hier für mein Experimentieren
unverzichtbar erschien, im vergleichbaren professionellen
Musikinstrumentenbau bislang keineswegs üblich. Sie sind aber
hierzulande trotzdem - wie ich nun weiß – auch für
nichtprofessionelle Interessenten keineswegs unerreichbar.
Ich
möchte nun einige weitere Besonderheiten dieser Instrumente
aufzählen, und dann auch eingehender erläutern:
-
In der Regel werden meine zylindrischen Schalmeien mit wenigstens
einer „Doppelloch-Tonbohrung“ versehen, um damit auch
verschiedene Tonleitern ermöglichen zu können, wobei diese
speziellen Tonlochbohrungen – durchaus im Unterschied zu
anderen Konzeptionen von „Doppelloch-Tonbohrungen“ –
in besonderer Weise dem Zeigefinger der oberen Spielhand zugeordnet
sind, was sich wiederum aus der dabei von mir bevorzugten Grundskala
dieser Instrumente ergibt, welche im Prinzip vom traditionellen
sorbischen Dudelsack entlehnt wurde. Diese besondere Position ergab
sich aber auch aus bestimmten Überlegungen in Richtung auf ein
mögliches Überblasen solcher Dudelsack-Melodiepfeifen.(10)
-
Die zylindrischen Schalmeien aus meiner Werkstatt werden inzwischen
alle an ihrem unteren Ende mit einer verschiebbaren Metallhülse
ausgestattet, welche, gleichsam wie ein „kleiner
Schallbecher“, sowohl zur Feinabstimmung des tiefsten Tones,
als auch im Sinne der Klanggestaltung des Instrumentes genutzt
werden kann, dabei aber weiterhin das „tonabstoppende“
bzw. „tonregulierende“ Aufsetzen der Melodiepfeife auf
dem Oberschenkel des sitzenden Dudelsack-Spielers ermöglicht.
-
Sowohl die letztgenannte spieltechnische Besonderheit, als auch die
Besonderheit der von mir angelegten „Doppel-Tonlochbohrung“
stehen im Zusammenhang mit der von mir für diese Instrumente
vornehmlich empfohlenen Grifftechnik, also der so genannten
„gedeckten Griffweise“. Für eine eher
„blockflötenartige“ offene Griffweise müssten
dann an solchen Instrumenten auch veränderte Mensurverhältnisse
hinsichtlich der genutzten Ton-Grifflöcher eingerichtet werden.
-
Einige zylindrische Schalmeien habe ich wiederum mit anderen
Tonskalen ausgestattet, bei denen dann auch auf
Doppeltonlochbohrungen verzichtet wurde. Bei einigen solcher
Instrumente ist dann auch das unterste Griffloch zur Erzeugung
eines Halbtonschrittes unter dem Grundton der Skala angelegt.
Grundlegend
für das Verständnis all dieser Punkte sind die
Besonderheiten der von mir hier empfohlenen „gedeckten
Griffweise“, bei der im Prinzip jeweils für jeden Ton der
Skala nur das jeweils zuständige Tonloch geöffnet wird und
dabei alle anderen Finger zunächst auf ihrer Position zu
verbleiben haben. Lediglich, wenn es um die zusätzliche
Erzeugung besonderer Vibratoeffekte oder vielleicht auch
griffkombinationsabhängiger Tonhöhenregulierungen geht,
sollen dann auch bestimmte andere, darunter liegende Tonlöcher
geöffnet bzw. dortige Finger bewegt werden.
Wenn
ich Ihnen nun also auch die auf diese Weise zu erzeugenden Tonleitern
sowie die entsprechenden Tongestaltungsmöglichkeiten vorführe,
kann ich auch deutlich machen, dass sich dabei, sobald man durch
Aufsetzen der Spielpfeife am Oberschenkel auch die untere Öffnung
des Instrumentes verschließt, auch ein exaktes Abstoppen des
Tones und insofern dann auch ein exaktes Stakkato bei jedem Ton der
Skala erzeugen lässt. Zudem lassen sich mit Hilfe dieser
„Aufsetzbewegungen“ auch wieder andere Vibratoeffekte
erzielen.
Dass
die beiden Bohrungen des Doppelloches für den Zeigefinger der
oberen Spielhand bei dem größten dieser Instrumente (also
dem Modell in Bb-Stimmung) nun deutlich untereinander und nicht, wie
ansonsten bei Doppellochbohrungen eher gewohnt, mehr schräg
nebeneinander angeordnet wurden, ergab sich für mich ebenfalls
im Zusammenhang mit den Besonderheiten der soeben geschilderten
Spieltechniken sowie meiner Absicht, an solchen etwas größeren
Instrumenten dann auch mit zusätzlich anzubringenden Klappen zu
experimentieren, was sich inzwischen innerhalb meiner
Spielerfahrungen und Spielgewohnheiten für dieses Instrument
auch bewährt hat.
Allerdings
sind auch diese Doppellochbohrungen - insbesondere die dabei
erforderlichen präzisen Schrägbohrungen, welche sich vor
allem bei der kleinsten Melodiepfeifenvariante als problematisch
erweisen - nicht so ohne weiteres von jedermann zu realisieren.
Nun
kann ich Ihnen noch die für mich immer wieder ganz erstaunliche
Wirkung der kleinen „Schallbecherhülse“ vorführen,
indem ich ein solches Instrument anblase und diese dabei zum
Vergleich abnehme.
Um
die Tonskala einer solchen Schalmei nun in der Höhe zu
erweitern, habe ich zunächst zwei zusätzliche, dann mit
Klappen abzudichtende Tonlochbohrungen im oberen Bereich des
Instrumentes eingebracht. Damit haben wir es mit genau den beiden
zusätzlichen Tonschritten zu tun, die wir auch bei neuzeitlich
weiterentwickelten Krummhörnern vorfinden können. Und auch
beim Vorgänger der Klarinette finden wir bereits zwei derartige
Klappen im oberen Tonbereich. Denn auch das Chalumeau verfügte,
ebenso wie das Instrument, welches ich nun hier in die Hand nehme,
mit diesen zwei Klappen über elf Töne im unteren Register.
Und bekanntermaßen war der dann darauf folgende entscheidende
Schritt auf dem Wege zur Klarinette eine weitere obere Klappe für
ein Überblasloch in den höheren Register - also das
Überblasen in die Duodezime.
Man
kann sich dabei nun Folgendes vor Augen führen:
Nachdem
an unserem Instrument zunächst zwei Klappen für zwei
weitere Töne erfolgreich angefügt wurden, kann natürlich
auch das weiterführende Bedürfnis nahe liegen, nun
vielleicht auch noch einen weiteren Ton mit einer weiteren Klappe
hinzuzufügen. Und auf der Suche nach der genaueren
Tonloch-Position für diesen nachfolgenden „dritten
Klappenton“ kann dann jeder Suchende beim eingehenderen
Experimentieren die Erfahrung machen, dass ihm dieser Ton auch in
einem „höheren Register“ begegnen kann.
Die
Begegnung mit den Tonmöglichkeiten dieses „höheren
Registers“ kann einem aber auch bereits bei dem
„Zweiklappen-Instrument“ widerfahren.
Wenn
ich bei gedeckter Spielweise die oberste Klappe, also hier die
Tonlochbohrung für das hohe Eb meines in Bb-Stimmung
konzipierten Instrumentes, nur ganz kurz öffne, so kann ich auf
diese Weise, und mit etwas Glück, auch bereits das
darüberliegende F und durchaus auch das nachfolgende G des
oberen Registers erklingen lassen, und ein geschickter Musikant
könnte diese beiden höheren Töne auch auf diese Weise
immer wieder in sein Spiel einbinden.
Nun
möchte ich versuchen, Ihnen diese Weiterführung der
Tonleiter auf einem solchen Instrument, welches nur über zwei
Klappen für die beiden oberen Töne D und Eb verfügt,
vorzuführen um auch akustisch deutlich zu machen, dass es mit
Hilfe dieses Tricks dann nicht nur über elf, sondern bereits
über dreizehn praktikable Töne verfügen kann.
Wer
sich aber auf die Suche nach einem nicht nur „mit etwas Glück“
und bestimmter „trickreicher Klappenbedienung“ zu
erreichendem, sondern auch mit grifftechnischer Gewissheit sicher
„einzuschaltendem“ hohen “ F“ machen möchte,
und dabei natürlich daran gehen muss, einem solchen
Zweiklappeninstrument eine weitere obere Bohrung mit Klappe
anzufügen, steht vor folgender Alternative:
Er
kann sich entweder mit einem hohen „F“ im unteren
Register begnügen, indem dieses dort mit einer normal
nachfolgenden Tonloch-Bohrung erzielt wird, oder aber versuchen,
diesen Ton doch mittels einer entsprechend kleineren und höher
gelegenen „Überblas-Bohrung“ im höheren
Register zu erreichen, um so dann dort auch viele weitere überblasene
Töne erschließen zu können. Falls er dabei nun auch
über die Ihnen soeben vorgeführte „Überblaserfahrung“
bereits verfügen kann, wird er sich wohl umso leichter für
den Weg des „Überblasens“ entscheiden können,
um damit also das anschließende „F“ nicht mit einer
weiterführenden Tonlochbohrung als höchsten Ton im
unteren Register, sondern mittels einer umschaltenden
Duodezim-Überblasklappe als den tiefsten Ton des höheren
Registers einschalten zu können.
Dort
aber kann dann die im unteren Register begonnene Tonleiter in Bb,
welche - wie gesagt - über anderthalb Oktaven bis zum Eb reicht,
über mehr als insgesamt zwei Oktaven weitergeführt werden.
Bevor
ich nun aber versuche, dies auch akustisch deutlich zu machen, möchte
ich Sie auf die hier vorliegende Problematik noch etwas genauer
einstimmen, indem ich auf etwas hinweise, was zuweilen überhaupt
nicht verstanden wird.
Wenn
ich nämlich, so wie hier, vor Musikern über
Musikinstrumente sprechen möchte, so besteht meiner Erfahrung
nach das Problem immer wieder darin, dass man ungeheuer leicht völlig
aneinander vorbeireden und so auch an den realen Problemlagen
vorbeidenken kann, wenn nicht berücksichtigt wird, dass es beim
Nachdenken über Musikinstrumententechnik und beim Nachdenken
über Musik eben doch immer um jeweils etwas völlig anderes
geht.
Musiker
wollen von Klängen beeindruckt sein und mögen sich mittels
„überzeugender Klangerlebnisse“ zuweilen vielleicht
auch überreden lassen, dann auch noch über damit
zusammenhängende physikalische Prinzipien musikinstrumenteller
Technik informiert zu werden, aber es ist in der Regel ziemlich
schwierig, bei Musikern vielleicht das genau Umgekehrte versuchen zu
wollen, - also etwa anhand wenig beeindruckender Klänge,
umständliche technisch-physikalische Prinzipien darzulegen oder
über mögliche Entwicklungswege musikinstrumenteller Technik
zu sprechen. Aber ich sitze nun vor Ihnen mit dem erklärten
Willen, eben gerade so etwas möglichst doch zu erreichen.
Ja,
ich sage dabei sogar Folgendes: Genau genommen, möchte ich hier
mit Ihnen noch gar nicht über Musik oder die besondere
Anmutungskraft bestimmter Klangereignisse usw., sondern zunächst
eben erst einmal nur über bestimmte Entwicklungsmöglichkeiten
musikinstrumenteller Technik sprechen. Und dabei möchte ich eben
auch die erstaunlichen Besonderheiten bestimmter
technisch-physikalisch bedingter Möglichkeiten und demgemäß
beschreitbarer Entwicklungswege sowie die oftmals noch
erstaunlicheren sozialökonomisch-geschichtlich bedingten Umwege
zu diesen Wegen, oder eben auch den von daher immer wieder als Gefahr
anstehenden Möglichkeiten ihrer generellen Verunmöglichung
oder auch Verhinderung, als das hervorheben, was mir für ein
generell besseres Verständnis dessen, was wir Menschen doch im
Zusammenhang mit unserem Interesse – oder auch, wie ich finde,
vielleicht besser gesagt – im Zusammenhang mit unserem
Naturgebundensein an Musik, alles fertig zu bringen
vermögen: Ebenso wie auch auf vielen anderen Gebieten: Sowohl
viel Sinnvolles als auch viel Unsinniges, wie auch Erfolgreiches und
ebenfalls viel Erfolgloses; - wobei jedoch keineswegs etwa nur das
als sinnvoll zu Charakterisierende dabei auch immer das Erfolgreiche
ist.
Und
nun - nachdem ich dies alles gesagt habe, um Sie in einem eben nicht
nur auf Klangerlebnisse orientierten Sinn auf das einzustimmen, was
ich Ihnen als ein Zwischenergebnis meines Experimentierens jetzt auch
akustisch vorführen möchte – kann ich auch noch
ungenierter betonen, dass es mir zunächst eben nicht darauf an
kommt, ob Sie die nun folgenden Töne etwa als beeindruckend oder
doch eher als kläglich empfinden werden, sondern, dass Sie,
weitgehend unabhängig von solch möglichen Klangeindrücken,
hoffentlich gewillt sein werden, auch noch weiteren Überlegungen
zu diesem Übergang in Richtung auf eine mögliche
„Doppelrohrblatt-Klarinette“ zu folgen. Denn nachdem ich
Ihnen – was ich jetzt vorhabe – einige Töne des
höheren Registers dieser „Doppelrohrblatt-Klarinette“
vorgespielt haben werde, und Sie auch die dabei zunächst
unvermeidlichen Intonationsschwierigkeiten dieser hohen Töne
erleben können, muss ich auch deutlich machen, in welche
weiterreichende Konfliktsituation ich damit nun bei meinen
entsprechenden Bemühungen geraten musste: Jede neue
Tonlochbohrung, die auf dem Weg in den höheren Register dieses
Instrumentes eingebracht wurde, konnte jeweils wieder bestimmte
Korrekturen der bisherigen Tonlochanordnungen für den unteren
Register erforderlich machen. Und sobald man dann im oberen Register
weitere praktikable Tonschritte bewältigen möchte, machen
sich wiederum weitere Tonlochbohrungen erforderlich, welche dann
wieder die Notwendigkeit weiterer Korrekturen am bislang Bewährten
nach sich ziehen.
Für
den Philosophen ergibt sich hier ein wunderbares Beispiel dafür,
dass zuweilen in bestimmten Entwicklungsprozessen das bislang
akribisch perfekt Gestaltete und auch sicher Bewährte doch
unweigerlich wieder aufgegeben werden muss, wenn bestimmte weitere,
höchst vielversprechend aussichtsvolle Entwicklungsschritte
gegangen werden sollen, welche dann aber keineswegs einfach zu
Erfolgen und zu neuen Qualitäten, sondern zunächst nur zu
unvermeidlichen neuen Schwierigkeiten und oft wohl auch zu
schwerwiegenden Enttäuschungen führen müssen.
Konstellationen, von denen her sich dann auch allzu leichtfertig
bestimmte Parteiungen und wohl auch ideologische Kämpfe ergeben
werden, innerhalb derer dann sowohl die Gewissheiten des bislang
Bewährten, als auch der Mut und die Anstrengungen derer, die
sich auf den Weg neuer und weiterführender Entwicklungen
begeben, bestimmten Diffamierungen ausgesetzt werden können,
welche letztlich aber in beiderlei Hinsicht ganz unberechtigt
bleiben. Ich möchte dabei betonen, dass es in solchen
Problemlagen nicht nur darum geht, dass einem natürlich auf dem
Wege des Fortschritts zwangsläufiger Weise immer wieder
Schwierigkeiten begegnen werden – was wir ja alle wissen und
wohl auch ziemlich leicht akzeptieren können – sondern,
dass uns hier auch deutlich werden kann, inwieweit zuweilen auch
bestimmte, auf bestimmten Gebieten mühsam erreichte
Entwicklungserfolge wieder in Frage zu stellen sind, wenn es dann
auch um weitere Fortschritte auf diesem Gebiet gehen soll. Eine
Konfliktsituation auf dem Wege von Fortschritt, die natürlich
generell viel schwerer zu akzeptieren ist - zumal, wenn dabei
offensichtlich ist, dass die dabei dann wieder in Frage zu stellenden
bisherigen Erfolge keineswegs einfach als Fehlentwicklungen oder
unglückliche Entwicklungsumwege abgetan werden können,
sondern als notwendige Voraussetzungen für nunmehr möglichen
weiteren Fortschritt begriffen werden sollten.
Wie
gesagt: Ein zwar hübsches Beispiel für den Philosophen, der
darüber abstrakt nachdenken kann, aber eine zuweilen schwer
erträgliche Situation für alle die Betroffenen, welche in
solch ambivalenten und viel neue Mühsal mit sich bringenden
Konstellationen konkret involviert sind und dann auch dazu neigen
werden, sich jeweils zu engagieren. Aber für jene, die sich
dabei auf den Weg der Weiterentwicklung begeben möchten, wird
es vielleicht erträglicher, wenn sie sich dann nicht nur mit
der Gewissheit der Möglichkeit von human sinnvollen
Weiterentwicklungen und Verbesserungen, sondern auch mit
entsprechender philosophischer Gelassenheit gegenüber allen
dabei zu erwartenden Schwierigkeiten, die uns insofern eben auch in
ganz unterschiedlichen Qualitäten begegnen werden, wappnen
können. Wobei uns wohl einer der übelsten Qualitäten
von Weiterentwicklungskonflikten da begegnen kann, wo sich die
Entwicklung von eigentlich Wertlosem, doch wieder als
geldgewinnbringend erfolgreich erweist.
In
unserem konkreten Falle des Versuchs der Weiterentwicklung eines ganz
bestimmten Musikinstrumentes gibt es nun aber auch noch eine ganz
andere sorgenvoll zu bedenkende Konfliktkonstellationen, bei welcher
nicht nur die Gefahr von zermürbenden und unvermeidlichen
Schwierigkeiten sowie aufreibenden Kämpfen zu bedenken ist,
sondern wo es – in einem viel schwerer wiegenden
Problem-Sinne – auch um die reale Gefährdung von
existierenden Werten durch bestimmte von uns in gewollter,
wünschenswerter oder auch eher unvermeidlicher Weise
betriebenen Entwicklungen geht.
Dabei
denke ich nunmehr wieder an die Problematik der bereits
geschilderten, so genannten “gedeckten Griffweise“,
welche ich für einen besonderen musikalischen Wert dieser
speziellen Dudelsackpfeifen halte. Und dieser Wert kann nun in
besonderer Weise in Gefahr geraten, wenn es um die weitere
Perfektionierung eines sicheren Spiels innerhalb ihres oberen
Registers gehen soll. Dazu möchte ich Ihnen diese Spieltechnik
nochmals vorführen, um die Besonderheiten der Erzeugung
entsprechender Vibrato- und Stakkato- Eigenarten sowie spezifischer
Tonfolgebildungen hier auch akustisch zu demonstrieren.
Bislang
bin ich bei meinen Ausführungen zu dieser Art von Melodiepfeife
stets von diesen Besonderheiten ihrer Spieltechnik als einem
obligatorischen Charakteristikum ausgegangen, und ich hatte dabei
zwei für mich sehr wichtige Gründe.
-
Erstens, weil ich von den musikantisch-spieltechnischen
Möglichkeiten dieser Spielweise, sowohl mit Blick auf bestimmte
westeuropäische (also beispielsweise hinsichtlich der
Northumbrian Small-Pipe), als auch auf viele osteuropäische
Dudelsäcke (einschließlich der entsprechenden
Besonderheiten des deutschen Bockes), stets fasziniert war und auch
seit langem schon durchaus daran interessiert war, mit meiner hier
vorgestellten Doppelrohrblatt-Schalmei sowohl eine speziell im Sinne
dieser besonderen Spielweise perfektionierte neuartige
Dudelsackpfeife, als auch ein entsprechend dafür zu nutzendes
mundgeblasenes Schalmeieninstrument hierzulande ins
folkloristisch-musikantische Geschehen einzubringen. Und dabei ging
ich auch davon aus, dass dies hinsichtlich der möglichen
Lebenserhaltung deutscher Dudelsacktraditionen eine spezifische
Bereicherung sein könnte. Was dabei die spezifische
Nutzungsmöglichkeit einer so konzipierten Dudelsackspielpfeife
auch als windkapselbeblasene Schalmei betrifft, so hatte ich
wiederum ein manchmal in Osteuropa anzutreffendes
Musikantenverhalten vor Augen, welches sowohl von slowakischen, als
auch ungarischen Dudelsackspielern zuweilen berichtet wird, mir aber
auch in Rumänien begegnet ist. Und auch, wenn es dafür
vielleicht in Deutschland keinen so ausgeprägt- nachweisbaren
traditionell-geschichtlichen Hintergrund geben mag, so scheint mir
die Möglichkeit, das auch solche, dann vielleicht vornehmlich
in dieser gedeckten Spielweise an der Windkapsel angeblasene
„Hümmelchen-Melodiepfeifen“ eben auch hierzulande,
neben ihren bereits bekannten gekrümmten Brüdern, eine
musikantische Chance haben könnten, keineswegs ausgeschlossen.
Freilich würden sie eine solche Chance zunächst wohl kaum
unmittelbar neben diesen, sondern vielmehr in ganz anders gearteten,
eher innovativ-neofolkoristisch agierenden Musiziergruppen
wahrnehmen können. Etwa in solchen, wie sie mir noch gut aus
den achtziger Jahren in der DDR als ein besonderer Teil der damals
vorwiegend rebellisch agierenden jüngeren Neo-Folkloristen in
Erinnerung sind. Aber es schiene mir im Prinzip auch keineswegs
undenkbar, dass irgendwann auch einmal sowohl entsprechend
ungekrümmte, als auch gekrümmte mundgeblasene zylindrische
Doppelrohrblattschalmeien unmittelbar nebeneinander, und dann
vielleicht auch einmal in einer sich gegenseitig ergänzenden
Weise, mit ihren entsprechend unterschiedlich ausgelegten
Spielweisen und Grifftechniken gemeinsam zur Wirkung kommen könnten.
Ohne irgendwie sicher sein zu können, ob dies hierzulande
tatsächlich jemals wahrscheinlich sein könnte, wäre
ich mir aber völlig sicher, dass eine solche Entwicklung eben
auch zur weiteren Aufrechterhaltung, aber auch stetigen Neubelebung
bestimmter Dudelsacktraditionen, über die die Deutschen doch
vormals in einer besonders vielgestaltig-reichhaltigen Weise
verfügten(11) eine günstige Grundlage sein
könnte. Denn, falls es künftig hierzulande viele wackere
Musikanten geben könnte, die sich dem zunächst recht
unaufwändig zu bewältigenden Spiel mit derartig
windkapselbeblasenen Hümmelchen-Pfeifen widmen würden, um
so sicherer gäbe es dann auch immer wieder entsprechende
Dudelsackspieler, die sich gegebenenfalls wiederum weitaus
ernsthafter mit den dudelsackspezifischen Besonderheiten dieser
Instrumente beschäftigen würden, als es, wie mir scheint,
gegenwärtig doch oft eher klamaukartig im Zusammenhang mit
bestimmten „Mittelalter-Events“ allenthalben geschieht.
Soweit zum ersten Aspekt meiner Motivation.
-
Zweitens ging es mir – zunächst eben auch ganz unabhängig
von der zu erwartenden Klangqualität entsprechend neuartig zu
erzeugender Tonfolgen einer „Doppelrohrblatt-Klarinette“
– um die Verdeutlichung der Tatsache, dass man mit dieser
gedeckten Griffweise, bei dieser besonderen Art von
Schalmeieninstrument, bereits mit nur zwei Klappen (ob nun zufällig
oder auch gezielt) die ersten weiterführenden Töne des
oberen Registers erreichen kann, und letztlich geradezu
unvermeidlich dorthin gelangen wird, sobald man weitere
tonumfangerweiternde obere Tonlochbohrungen anfügen möchte.
Ich
meine dabei nun, dass diese technisch-physikalische Sachlage
bedenkenswert ist, wenn wir dann auch die bisherigen geschichtlichen
Möglichkeiten in der Entwicklung dieser Art von Schalmeien
bedenken wollen, wobei ich zunächst nur an die Möglichkeit
weitsinniger aufzuwerfender Fragen und keineswegs vorschnell an
bestimmte, sich damit nun vielleicht auch als nahe liegend anbietende
Antwortmöglichkeiten denken möchte.
Und
im Sinne von eben stets möglichst weitsinnig aufzuwerfenden
Fragestellungen steht nun das Problem an, ob diese gedeckte
Spielweise auch dann noch angebracht sein kann, wenn es letztlich
doch um die weitere technisch-physikalisch-musikinstrumentelle
Kultivierung einer entsprechend in die Duodezime zu überblasenden
Doppelrohrblatt-Klarinette gehen soll. Denn damit steht auch wieder
genau die Frage an, die ich zunächst als ein besonderes
entwicklungstheoretisches Problem musikinstrumenteller
Technik-Analyse aufgeworfen hatte. Wenn man dieser Frage nun
prinzipiell weiter nachgeht, so könnten auch weitere alternative
Entwicklungsmöglichkeiten mit ihren jeweiligen Besonderheiten
genauer bedacht und abgewogen werden.
Es
wäre zunächst genau zu entscheiden, ob es nun vielleicht
doch eher um ein klarinettenartig bzw. „oboenartig“ mit
Lippenansatz zu spielendes Instrument gehen soll, oder weiterhin an
eine Windkapselschalmei bzw. Dudelsackspielpfeife gedacht werden
sollte.
Ich
denke dazu Folgendes:
Für
ein mit Lippenansatz zu spielendes Instrument müsste sicherlich
eine dafür genaue Anpassung des Doppelrohrblattes vorgenommen
werden, wobei es eben auch entsprechende außereuropäische
Instrumente gibt, bei denen sich deren ganz anders dimensionierte
Doppelrohrblätter zweifellos als nahe liegend geeignete
Vorbilder anbieten würden. Ich habe aus meiner Sicht überhaupt
keinen Zweifel daran, dass ein in dieser Weise konzipiertes
neuartiges Blasinstrument durchaus möglich sein kann. Aber meine
persönliche Vorliebe und meine hier vorgestellte
Schalmeienproblematik zielt im Kern doch immer noch in Richtung auf
eine entsprechend „windkapselbetriebene“ und dann eben
auch „dudelsackgeeignete“, überblasfähige,
zylindrische Doppelrohrblattschalmei. Und da geht es nun um eine ganz
anders geartete musikinstrumentelle Möglichkeit, die auch ganz
andere musikinstrumentelle Entwicklungswege erfordert. Eine
Entwicklungsmöglichkeit, für die es innerhalb der
bisherigen Geschichte musikinstrumenteller Technik keineswegs bereits
nahe liegende Vorbilder gibt oder sich etwa bereits einladend analog
vorbereitete Entwicklungswege absehen lassen. Also eben auch ein
Entwicklungsschritt ganz anderer Art als etwa der vom Chalumeau zur
Klarinette oder der von Klarinette und Oboe zum Saxophon oder dann
auch vom Saxophon zum Sarussophon etc.
Denn
gerade auch in Hinsicht auf die durchaus näher liegende
Möglichkeit der Konstruktion einer mit Lippenansatz geblasenen
Doppelrohrblattklarinette, erweist sich die Suche nach einer solchen
„windkapselfähigen“ Schalmei als eine
vergleichsweise völlig anders geartete
Entwicklungsherausforderung.
Wenn
wir die mit Lippenansatz anzublasende Variante noch einmal bedenken
wollen, so liegt auf der Hand, dass dafür eigentlich schon lange
alles Nötige vorhanden ist, und dass sich auch sofort
eindrucksvolle Ergebnisse erzielen lassen, sobald etwa das Rohr
einer Eb- oder auch Ab-Klarinette in fachlich korrekter Weise mit
einem entsprechend dimensionierten, lippenangeblasenen
Doppelrohrblatt kombiniert wird.(12) Entsprechende Klarinettenkörper
gibt es inzwischen in aller Welt und entsprechend dimensionierte
Doppelrohrblätter dieser Spielmanier gibt es in Asien. Und die
musikinstrumententechnischen Voraussetzungen, um dann einer solchen
neuartigen Instrumentalkombination auch eine entsprechende
Klappenmechanik genauer anzupassen, bzw. die bereits seitens der
Klarinette vorliegende gegebenenfalls entsprechend zu korrigieren,
bestehen inzwischen ebenfalls in aller Welt. Und dabei wären
dann ja auch die besonderen Probleme und Schwierigkeiten der
gedeckten Griffweise für ein solches Instrument überhaupt
nicht zu berücksichtigen.
Aber
eine entsprechend windkapselbeblasene, also auch dudelsackgeeignete
Spielpfeife mit klarinettenanalogen Überblaseigenschaften ist
eben nicht nur etwas völlig Neues im Sinne eines besonderen
Musikinstrumentes, sondern auch (und zwar in mehrfacher Hinsicht)
etwas völlig Neuartiges innerhalb des Systems
natürlich-akustischer musikinstrumenteller Technik. Und als ein
dementsprechendes Blasinstrument welches auch über die
Möglichkeiten der gedeckten Spielweise verfügen könnte,
wäre diese in einem weiteren Sinne etwas „ganz
besonderes“. Vermutlich aber eben auch eine besonders
schwierig herzustellende „Besonderheit“.
Ob
beispielsweise eine entsprechend mit Lippenansatz geblasene
Doppelrohrblattklarinette dann auch über viele neue Vorzüge,
also etwa ganz andere Klangeigenschaften, neue bedeutungsvolle
spieltechnische Besonderheiten oder sonstige neuartige musikalische
Dimensionen, verfügen könnte, müsste sich wohl erst
erweisen. Aber eine entsprechende Dudelsackpfeife ist zweifellos
sofort etwas ganz Besonderes – ein Musikinstrument mit
unverkennbar neuartigen Klang- und Spieleigenschaften, welches dem
Spieler ganz besondere neuartige Spieltechniken ermöglicht, aber
auch abverlangt, und einem Dudelsackinstrument damit auch ganz
neuartige musikalisch-musikantische Dimensionen eröffnet.
Dass
es nun aber ein solches, entsprechend windkapselbeblasenes Instrument
im Prinzip bereits gibt, habe ich Ihnen hier schließlich
zeigen wollen und dies auch schon seit vielen Jahren verschiedentlich
betont, ohne dabei zu verhehlen, dass dieses sicherlich noch weiterer
Verbesserungen bedarf.(13) Und so sehr ich die gedeckte Griffweise
für eine entsprechende Dudelsack-Schalmei auch weiterhin
favorisieren möchte, so muss ich nun doch auch befürchten,
dass diese dort eben möglicherweise gefährdet sein könnte,
sobald man daran geht, auch die „übergeblasenen“
Töne des oberen Registers an einer solchen Dudelsackpfeife
sicherer und entsprechend „exakt stimmig“ gestalten zu
wollen. Dort - also im oberen Register - liegt diese Spielweise ja
ohnehin nicht mehr nahe. Sie könnte aber vielleicht für den
unteren Register eines solchen Instrumentes noch erhalten werden.
Ein vollständiger Verzicht auf die gedeckte Griffweise wäre
jedenfalls aus meiner Sicht ein schwerwiegender Verlust eines
spezifischen instrumental-musikalischen Wertes innerhalb einer mir
möglich erscheinenden Entwicklung. Auch wenn dieser vielleicht
durch den Gewinn eines bislang für Dudelsäcke ganz
außergewöhnlich großen Tonumfanges, als
„wettgemacht oder ausgeglichen“ interpretiert und
verteidigt werden könnte. Um hier aber bessere Lösungen
von Entwicklungskonflikten und vielleicht auch entsprechend günstige
Kompromissmöglichkeiten zu ermitteln, müsste meiner Meinung
nach noch auf mindestens drei Gebieten sehr viel mühevolle
Arbeit geleistet werden.
-
Es sollten weiterhin neuere synthetische Tongeneratormaterialien,
welche wiederum eine größere Lautstärke für
solche grazilen Spielpfeifen sichern können, ermittelt und
getestet werden.
-
Es müsste weiter an den „Mensurverhältnissen“
der Tonlochbohrungen experimentiert werden, um die
Intonationsprobleme des oberen Registers mit den Verhältnissen
des unteren weitmöglichst „abzugleichen“, wobei
vielleicht auch weitere Halbtonlochbohrungen in den
Instrumentenkörper eingebracht werden sollten, mittels derer
sich dann auch wieder verbesserte Tonregulierungsmöglichkeiten
bzw. entsprechende Griffkombinationen für den oberen Register
ergeben könnten.
-
Letztlich wird dabei aber wohl auch an eine in diesem Sinne zu
erweiternde sowie spezifisch weiterzuentwickelnde Klappenmechanik
gedacht werden müssen. Dabei wären aber stets auch die
besonderen Möglichkeiten zu berücksichtigen, über
die eine solche Dudelsackmelodiepfeife in Hinsicht auf das Spiel
mit aufzusetzender, also jeweils auch unten verschließbarer,
Melodiepfeife verfügt. Diese, im Vergleich mit anderen
Röhrenblasinstrumenten wiederum ganz besondere spieltechnische
Möglichkeit und die damit verbundenen „spieltechnischen
Handbewegungen“ sollten schließlich nicht nur im Sinne
des Abstoppens und Gestaltens von Tönen im unteren Register,
sondern dann eben auch im Sinne der Gestaltung und
Intonationsregulierung von Tönen des oberen Registers genutzt
werden, was wiederum auch „klappenmechanisch“ zu
berücksichtigen wäre.
Und
so gesehen, habe ich auch Hoffnungen im Sinne der weiteren
musikinstrumententechnischen Entwicklungsmöglichkeiten einer
solchen Dudelsackmelodiepfeife und denke dabei, dass auf dem Wege der
weitgehenden Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur
Verbesserung der Intonation innerhalb des oberen Registers doch
vielleicht die dudelsackspezifischen Vorzüge der gedeckten
Griffweise im unteren Register weitgehend erhalten bleiben könnten.
Was
nun den Kern der hier zuletzt genannten Problemkonstellationen,
nämlich eine dementsprechend neu zu konzipierende
Klappenmechanik, betrifft, so kann Ihnen vielleicht schon aufgefallen
sein, dass ich mich zu den Besonderheiten meiner Konzeption von
Klappenanbringung an solche einfachen hölzernen
Blasinstrumentenkörper bislang noch nicht geäußert
habe. Aber die sichere Anbringung von Klappenmechanik aus Metall an
einen Musikinstrumentenkörper aus Holz war doch wohl der
entscheidende Schritt, um hier überhaupt in einer spieltechnisch
sinnvollen Weise bis in den oberen Register gelangen zu können.
Ich musste dafür also auch eine für meine letztlich doch
stets „amateurischen Herstellungs-Bedingungen“
angemessene Lösung finden.
Bei
meinen Bemühungen in dieser Richtung bin ich nun - im völligen
Unterschied zu dem was die Geschichte des bisherigen
Musikinstrumentenbaues in dieser Hinsicht eigentlich alles nahe legt
- einen prinzipiell anderen Weg gegangen und auch zu einer
entsprechend andersartigen Lösung gelangt.
Ich
habe nun besondere Gründe, auf diese Problemlage wieder etwas
ausführlicher einzugehen.
Wenn
Sie sich die verschiedensten hölzernen Blasinstrumente der in
Ihrem Hause hier exponierten Instrumentensammlung anschauen, können
Sie leicht erkennen, dass es da bislang eigentlich zwei
grundsätzliche Lösungswege gab. Entweder, und dass ist der
historisch ältere Weg, wurden an den gedrechselten Holzkörpern
dieser Instrumente bestimmte Rundum-Verdickungen oder auch
entsprechende seitliche Wülste stehen gelassen, um in diesen
dann sowohl entsprechende Führungsschlitze, als auch seitlich
einzubohrende Achsführungen für die dort gefedert-geführt
einzulagernden Metall-Klappen einzubringen, oder - und das ist der
historisch jüngere und auch heute noch allgemein übliche
Weg - es wurden dann mittels einer Vielzahl von Einbohrungen oder
auch Einfräsungen in das Holz des Instrumentenkörpers
viele, zumeist nur kleinere Metallsockel, aber manchmal auch größere
und längere, einzuschraubende Metallteile, angebracht, mit
welchen dann die entsprechenden Achsen und Verbindungsteile der nun
auch weitaus aufwändiger und imposanter auszustattenden
Griffmechaniken, bis hin auch zu vielfach zusammenhängenden
Klappen- und Achsen- Kombinationssystemen, aufgenommen werden können.
Die hochkomplizierten und komplexen Klappensysteme heutiger Flöten,
Oboen und Klarinetten usw. beruhen im Grunde alle auf dieser Methode
des Einbringens von Metallelementen in den hölzernen
Instrumentenkörper und sind dabei selbst das Ergebnis eines sehr
langwierigen, hochkomplizierten und komplexen musikinstrumentellen
Entwicklungsprozesses, welcher letztlich zu dieser bislang geradezu
unübertroffenen Technologie von Klappenanbringung geführt
hat, welche sich insbesondere auch dadurch bewährt hat, dass
alle diese, zunächst für Holz-Instrumentenkörper
entwickelten Metallelemente dann auch in analoger Weise verwendet
werden konnten, wenn sie nicht mehr in Holzkörper eingeschraubt,
sondern später dann auch auf Metallkörpern von
gleichartigen oder auch andersartigen Blasinstrumenten angelötet
werden konnten.
Was
nun aber Holzinstrumentenkörper betrifft, so hatten beide hier
geschilderte Verfahren stets ihre erheblichen Nachteile.
Im
ersten Falle mussten die Holzkörper dieser Instrumente, deren
klappenlose Vorfahren noch leicht und schlank konzipiert werden
konnten, wieder klobiger und schwerer werden, und auch die
entsprechenden Drechselarbeiten erforderten dann viel mehr Aufwand
sowie oftmals erhebliche kunsthandwerklerische Fähigkeiten. Dies
kann gerade auch angesichts bestimmter Instrumente dieser Sammlung
hier (beispielsweise bei bestimmten älteren
Buchsbaum-Klarinetten etc.) deutlich vermerkt und eingehender
bedacht werden.
Im
zweiten Falle wurden die ohnehin stets durch wechselnde Feuchtigkeit
spannungsgefährdeten Holzkörper solcher Blasinstrumente
dann noch durch die entsprechende Einbringung von Löchern und
Bahnen sowie dortiger, festsitzend-spannungsbringender
Metallelemente, entsprechend zusätzlichen Gefährdungen
ausgesetzt, so dass sich – was ebenfalls an einer Vielzahl
solcher hölzerner Blasinstrumente aus dieser Sammlung bemerkt
werden kann – vor allem an und zwischen solchen Einbohrungen
und Einfräsungen eben doch immer wieder allzu leicht
Rissbildungen im Holz ergeben konnten.
Derartige
Nachteile und Gefährdungen lassen sich nun, mit meinem ganz
anders angelegten Klappenanbringungsverfahren, prinzipiell vermeiden.
Ich
wollte weiterhin von einem grundsätzlich weitgehend schlank zu
gestaltenden Holzkörper meiner Schalmeieninstrumente ausgehen,
und dabei dann auch die Metallteile der jeweiligen Klappenapparatur
nicht (wie schließlich vormals bei beiden bislang üblichen
Methoden unvermeidbar) in einer den Instrumentenkörper letztlich
doch gefährdenden Weise „ins Holz einbringen“,
sondern lediglich an dieses „anbringen“. Und diese
„Anbringungen“ sollten dann auch keinesfalls mit
auseinandertreibenden Spannungseffekten verbunden sein (wie dies
schließlich bei beiden bisherigen Konstruktionsmethoden von
Klappenmechanik bei entsprechenden hölzernen Blasinstrumenten
immer der Fall war), sondern es sollten dabei - eher geradezu
umgekehrt - ganz bestimmte, den Holzwerkstoff nun auch
„zusammenhaltende Spannungseffekte“, eine Rolle spielen.
Das
Ergebnis all dieser vergleichsanalytisch und kritisch-historisch
angelegten Erwägungen können Sie nun an den
Klappenbeispielen, welche ich Ihnen hier zeigen möchte, genauer
betrachten.
Und
natürlich können Sie dabei auch sofort den nun ins Auge
fallenden offensichtlichen Gegensatz zwischen der doch geradezu
behelfsmäßig anmutenden Schlichtheit dieser einfachen
Klappenkonstruktion und den dazu zuvor doch so aufwändig-wortreich
von mir vorgetragenen vergleichsanalytisch-historisch untermauerten
Begründungsdarlegungen bemerken. Denn - so sieht die Sache doch
wohl letztlich aus - bei dieser Konstruktion handelt es sich
eigentlich doch nur um eine ganz schlichte und offensichtlich
ausgesprochen einfach zusammengebastelte Schelle aus
zusammengelötetem Draht, welche zudem noch mit einer überaus
banalen Fadenwicklung zusammengehalten werden muss, um die in dieser
Weise dort angebrachte Klappenfederung und Klappenführung dann
auch einigermaßen sicher aufnehmen zu können… Ein
also doch wohl unübersehbarer Gegensatz zwischen derartig
offensichtlicher Schlichtheit (oder vielleicht sogar eher
„Armseeligkeit“) dieser Klappenkonstruktion und den dazu
so wortreich von mir vorgetragenen Begründungsdarlegungen, die
dann wohl doch eher als wortgewichtig-übertrieben und
vergleichsweise unangemessen erscheinen können.
Ich
habe nun nicht vor, anlässlich derartig nahe liegender Einwände
und entsprechender Abneigungshaltungen, etwa zu widersprechen. Eher
neige ich dazu, denen, die hier auf der Feststellung eines solchen
Form-Gegensatzes von praktisch-schlichter Konstruktionswirklichkeit
und aufwändig vorgetragenen theoretischen Darlegungen zu
komplizierten und komplexen Entwicklungsvorgängen bestehen
wollen, zustimmend Recht zu geben und dies für eine durchaus
sachliche Feststellung zu halten. Denn ich werde dabei sowohl Wert
auf die Hervorhebung der Einfachheit meiner Konstruktion, als auch
weiterhin Wert auf meine dazugehörigen, dann eben keineswegs
mehr „einfachen“ Überlegungen und Ausführungen
legen. Diese Konstruktion ist nicht nur, gemessen an ihrer äußeren
Form, von besonderer Einfachheit, sondern sie ist dies auch im
Prinzip, also entsprechend ihrem wesentlichen Inhalt bzw. ihrem
eigentlichen Wesen nach. Und genau in diesem Spannungsfeld, in dieser
nun ganz anderen Art von zu bedenkender Gegensatz-Unterschiedenheit,
besteht eben die Problematik, über die ich hier, angelegentlich
dieser sicherlich keineswegs allzu überwältigenden kleinen
Erfindung, noch reden möchte. Und wenn ich dies tue, so muss ich
auch sogleich sagen, dass diese meiner Meinung nach durchaus auch
schon in manch anderen Köpfen oder auch anderen
„Musikinstrumentenbasteleien“ vorgekommen sein mag –
, sich aber (soweit ich sehen kann) bislang noch nicht als
tatsächliche technische Alternative in der bisher bekannten
Geschichte des Musikinstrumentenbaues deutlich verwirklicht findet.
Ob wir nun – ebenso wie etwa über die älteren
Geschwister des Krummhorns – nur nichts mehr darüber
wissen, oder ob eine solche Konstruktions-Idee nun tatsächlich
bislang nur in meinem Kopf und in meiner Werkstatt in bislang völlig
einmaliger und insofern auch authentisch-einzigartiger Weise
„erfunden“ und dann auch von daher verwirklicht worden
ist, wird von mir alleine nicht zu erfahren sein. Um aber sowohl die
spezielle Besonderheit einer solchen Idee, als auch bestimmte, aus
meiner Sicht dabei anstehende weitere Möglichkeiten ihrer
Nutzung noch deutlicher zu machen, muss ich nun noch auf drei weitere
Aspekte dazu verweisen.
-
Erstens war mir diese Idee und die dann dazu von mir verwirklichte
Konstruktion deswegen ausgesprochen wichtig, weil ich mit dieser
Form neuartiger Klappenanbringung weitaus freier im Sinne meines
Wissenschaftskonzeptes zu „vergleichsanalytischen
Experimentalmodellen“ umgehen konnte. Freier als mit allen
anderen mir bislang bekannten Möglichkeiten von
Klappenanbringung an Schalmeieninstrumenten. Derartig einfache
„Klemm-Schellen aus Draht“ können im Prinzip an
nahezu jeder Stelle einer beliebigen Schalmeienröhre
installiert und dort auch in einer unvergleichlich bequemen, aber
letztlich auch stets höchste Präzision gewährleistenden
Weise eingerichtet, feinjustiert und jederzeit wieder nachreguliert
werden. Und all dies alles lässt sich damit weitaus besser als
mit den bisher musikinstrumentell üblichen Methoden
verwirklichen. Dabei lassen sich solche Klappeninstallationen
nötigenfalls auch so anbringen, dass sie ohne irgendwelche
Beschädigungen am Instrumentenholzkörper zu hinterlassen,
jederzeit wieder ab- und an anderer Stelle wieder angebaut werden
können.(14) Im Sinne meines vergleichsanalytischen
Experimentalkonzeptes ergaben sich damit weitere spezifische
Vorteile, die weit über das hinausgehen, was ich bislang als
vorteilhaft im Sinne meines bisherigen Vergleichs zu dem, was die
Geschichte des Musikinstrumentenbaues uns ansonsten dazu anbietet,
hervorheben konnte.
-
Außerdem war mir dabei stets wichtig, dass diese eben überaus
einfache Konstruktionsmöglichkeit, auch allen anderen,
vielleicht auch weniger akribisch agierenden
Instrumentenbau-Amateuren empfohlen werden kann. Es ist eben eine
Klappeninstallationsmöglichkeit, die vom Prinzip her auch ohne
allzu großen Aufwand von jedem bastlerisch engagierten
Schalmeien- und Dudelsack-Liebhaber, der ein bisschen Draht biegen,
feilen und löten kann, in vorteilhafter Weise selbst zu
verwirklichen ist.
-
Ich sehe aber auch viele Gründe und Möglichkeiten, diese
Konstruktionsform perspektivisch auch im Sinne der qualifizierteren
professionellen Musikinstrumentenherstellung, als eine eben
prinzipiell andere technische Möglichkeit der Installation von
Klappen, zu empfehlen, oder zumindest immer wieder en detail zu
erwägen. Insbesondere da, wo es eher um Instrumente mit nur
wenigen Klappen geht. So wäre sie beispielsweise auch für
die unter vielen Folk-Musikanten so überaus beliebten dünnen
Blechflöten zu empfehlen, wo sie im Prinzip noch einfacher als
auf den dabei zu vergleichenden hölzernen Instrumenten
angebracht werden könnten. Und dabei liegt auch auf der Hand,
dass neben der besonderen Einfachheit dieser Grundkonstruktion auch
alle ihre weiteren spezifischen Vorteile und Besonderheiten eben
auch in professionell abgefeimterer und entsprechend
perfektionierterer „Instrumentenbauermanier“, also auch
in ganz anderen Gestaltungsweisen und mit anderen Werkstoffen,
genutzt werden kann. So etwa mittels feinster Klemmringe aus
entsprechend auf Goldschmiede-Niveau gestalteten Edelmetallen
und/oder auch mittels entsprechend penibel und solide angelegter
Schraub- und Achs-Verbindungselementen auf Uhrmacher-Niveau sowie
sonstigem entsprechend musikinstrumentenadäquat konzipierten
Klappengestaltungsbeiwerk, welches unter jetzigen technischen
Voraussetzungen auch in immerwährend materialschonender (d.h.
also auch „instrumentenkörperschonender“) Weise
durch jeweils wieder auflösbare, aber im Gebrauch völlig
sichere und auch ästhetisch unanfechtbare Klebeverbindungen
usw. garantiert werden könnte.
Da
ich nun angelegentlich dieser letztlich doch einfachen Art von
Klappenanbringung so ausführlich über die Möglichkeit
derartiger einfacher Lösungen innerhalb von
Entwicklungszusammenhängen, die ansonsten eher zu komplexeren
und technisch komplizierteren Lösungen tendieren, gesprochen
habe, möchte ich auch deutlich machen, warum ich dies getan
habe, denn immerhin hatte ich dazu bereits einleitend bemerkt, dass
ich dafür auch „besondere Gründe“ habe.
Ich
denke nämlich, dass sich – sobald man näher hinschaut
- eine solche spezielle Erscheinungsform von besonderer Einfachheit
auch in Hinsicht auf das ganze von mir hier vorgestellte
„Doppelrohrblatt-Klarinetten-Instrument“, und eben nicht
nur in Hinsicht auf seine besondere Klappenkonstruktion, vermerken
lässt. Mit dieser einfachen Schalmeien-Holzröhre, die
lediglich mit einem Doppelrohrblatt, einigen Grifflöchern und
dann vier Klappen ausgerüstet ist, konnte nun eine im System
musikinstrumenteller Technik bislang unbesetzte Stelle, also
sozusagen ein „weißer Fleck auf der Landkarte
natürlich-akustischer Musikinstrumente“ ausgefüllt
werden. Und dieses mittels einfachster Klappentechnik überblasbar
gestaltete einfache Instrument steht in diesem Systemzusammenhang nun
unmittelbar neben so hochkomplexen und komplizierten, mit
raffiniertesten Klappensystemen ausgestatteten Verwandten wie
Klarinette, Oboe und Saxophon usw. Zur Neuartigkeit dieses einfachen
Musikinstrumentes gehört dabei aber auch, dass es nicht nur
systemisch-systematisch im Zusammenhang mit diesen per Lippenansatz
angeblasenen Instrumenten zu bedenken ist, sondern auch in einem nun
neu erweiterten Systemzusammenhang bedacht werden muss:
Unter
den am Dudelsack überblasbaren Schalmeieninstrumenten kannten
wir bislang nur solche, die dies mit Doppelrohrblatt und konischer
Bohrung realisieren konnten. Bei der Melodiepfeife der Irish Union
Pipe, welche über einen Tonumfang von zwei Oktaven verfügen
kann, ist dies bislang wohl am ausgefeiltesten verwirklicht worden.
Angesichts der hier vorgestellten
„Doppelrohrblattklarinetten-Dudelsackpfeife“ haben wir es
in diesem nun damit erweiterten Spezialbereich von überblasbaren
Dudelsackpfeifen nun bereits mit zwei Positionen zu tun, und es
können dann sofort auch Fragen zu weiteren möglichen
offenen Stellen, etwa in Richtung auf entsprechend neuartig zu
konzipierender membranophoner oder auch lamellophoner Möglichkeiten
am Dudelsack, aufgeworfen werden…
Ich
denke aber weiterhin vor allem an die hier dargelegten spezifischen
Möglichkeiten der künftigen Verbesserung einer
entsprechenden Doppelrohrblatt-Klarinette als Dudelsackmelodiepfeife.
Falls dieser besonderen „Musikinstrumentenkonstruktion“
nun tatsächlich eine weitere Entwicklung im Sinne der
ausgeprägteren Entfaltung ihrer spezifischen Möglichkeiten
bevorstehen könnte, so denke ich, dass sie dabei, also unter den
spezifischen Verhältnissen und Besonderheiten von
„Dudelsackmusikkultur“, vielleicht in einer solchen Weise
verbessert oder auch perfektioniert werden kann, dass dabei
vielleicht auch bestimmte Merkmale ihrer besonderen
musikinstrumentellen Einfachheit erhalten bleiben können.
Dazu
möchte ich – wiederum aus vergleichsanalytischer Sicht –
noch auf bestimmte Fakten innerhalb der bisherigen
Entwicklungstendenzen entsprechender zylindrischer Dudelsackpfeifen
mit Doppelrohrblatt hinweisen.
In
der Geschichte derartiger „Hümmelchen-Instrumente“
ist das Bedürfnis zur Erweiterung des Tonumfangs ihrer
Melodiepfeifen unübersehbar.
Dabei
kann man nun im Prinzip drei unterschiedliche Entwicklungsstrategien
vermerken, welche sich jeweils in ganz anderer Weise „aufwändig“
gestalteten.
Natürlich
war zunächst nahe liegend, weitere Klappen an der Melodiepfeife
anzufügen, was wohl als erstes in Frankreich an der „Musette“
verwirklicht wurde. Mit diesen balgbetriebenen Instrumenten konnten
dann mittels einer, neben ihrer ursprünglichen Melodiepfeife
angefügten Zusatzeinichtung, auch noch weitere, höher
gelegene Töne, durch das dortige Öffnen verschiedener
Klappen zugeschaltet werden, so dass sich bei diesen Instrumenten ein
Melodieumfang von zwei Oktaven bewältigen lässt.
Einen
anderen Entwicklungsweg können wir bei der
Northumbrian-Small-Pipe vermerken, für welche eine entsprechend
verlängerte Spielpfeife entwickelt wurde, mit der sich ebenfalls
ein Tonumfang von zwei Oktaven spielen lässt, welcher dabei
allerdings auch einen entsprechend großer Aufwand an
zusätzlicher Klappenmechanik erforderlich machte.
Der
von mir dann bereits 1989 vorgestellte und heute wieder detaillierter
erläuterte Entwicklungsweg im Sinne einer am Dudelsack
betriebenen „Doppelrohrblatt-Klarinette“, mit welcher
sich dann auch mehr als zwei Oktaven realisieren lassen können,
erscheint hingegen weniger aufwändig, da sich hier weder eine
Zusatzeinrichtung neben der eigentlichen Melodiepfeife, noch eine
überdimensionale Verlängerung der Melodiepfeife und auch
keine entsprechende Vielzahl von zusätzlichen Klappen
erforderlich macht.
Es
machte sich auf diesem ganz anderen Entwicklungsweg aber ein
besonderer Aufwand hinsichtlich verschiedenster Experimente sowie
dann auch an entsprechender „Präzision“ hinsichtlich
der Maßgenauigkeit bzw. der Detailgestalt bestimmter
Instrumentenelemente erforderlich. So verfügen beispielsweise
die bereits beschriebenen Präzisionsröhren der verwendeten
Tongeneratoren über eine Wandstärke von nur einem Zehntel
Millimeter und hinsichtlich der erst nach vielen Experimenten und
Veränderungen effektiv wirkenden Gestaltung der in den
Schalmeienkörper eingelassenen Metallbuchse für die
besonders präzise anzulegende „Duodezim-Überblasbohrung“,
konnte ich erst dann befriedigende Ergebnisse erreichen, als diese
eine bestimmte präzise Formgestalt und dabei eine Innenbohrung
von lediglich 0,6 mm erhielt. Ich denke, dass derartige
Maßhaltigkeitsdimensionen, die auch in der Geschichte der
bisherigen professionellen Herstellung von sonstigen Blasinstrumenten
durchaus ungewöhnlich sind, sowohl bei der weiteren möglichen
Verbesserung dieses hier von mir vorgestellten „Experimentalmodells“,
als auch hinsichtlich möglicher Neugestaltungen und
prinzipieller Weiterentwicklungen eines derartigen
„Doppelrohrblatt-Klarinetten-Projektes“ beachtet werden
müssen.
Außerdem
denke ich dabei, dass nunmehr Ihre Wissenschaftsinstitution, also die
Musikhochschule des Saarlandes, wohl die einzige in der Welt ist,
welche über eine Musikinstrumentensammlung verfügt,
innerhalb derer sich auch ein darin entsprechend systematisch
platzierbares Instrument befindet, welches in einer exakten Weise
als „Doppelrohrblatt-Klarinette“ zu verstehen ist.
Soweit
dazu.
Vor
Ihnen liegt nun noch eine weitere, speziell für
windkapselbeblasene und dudelsackbetriebene „Schalmeienistrumente“
konzipierte Innovation aus meiner Werkstatt, welche ich Ihnen nun
noch kurz erklären und vorführen möchte.
Es
handelt sich dabei um ein zwischen Windkapsel und Schalmeienkörper
zusätzlich eingefügtes Zwischenstück, in welchem sich
der jeweilige Tongenerator des Instrumentes befindet.
Dieser
kann dort entweder fest eingelassen sein oder auch innerhalb einer
dort befindlichen Haltevorrichtung mittels einer wieder auflösbaren
Fadenwicklung jeweils eingebunden und festgezurrt werden.
Ein
solches als Feinstimmeinrichtung konstruiertes Zwischenstück
wird nun einerseits in die Windkapsel (oder eben die
Melodiepfeifenfassung des Dudelsackes) eingesetzt, und andererseits
auf den Schalmeienkörper aufgesetzt. Damit kann dann das
Instrument jederzeit, also auch während des Spiels, ein- oder
nach-gestimmt werden, ohne dass es dazu jeweils herausgenommen werden
muss.
Der
Tongenerator muss dabei also auch nicht mehr in der ansonsten
üblichen Weise, mit den Fingern berührt und verschoben
werden.
Die
Idee für eine solche Feinstimmeinrichtung ist nun wieder denkbar
einfach, aber die entsprechend funktionssicher-präzise
Herstellung eines solchen, den Tongenerator exakt und festsitzend
aufnehmenden Zwischenstückes, ist dann keineswegs
unproblematisch. Hier wird auch die weitere Bedeutung der von mir
jeweils im Kopf solcher Schalmeieninstrumente installierten präzisen
Führungshülse deutlich, denn diese erweist sich nun auch
als wesentliche Vorraussetzung für das einwandfreie
Funktionieren dieser zusätzlichen Feinstimmeinrichtung. Dass
aber eine solche Zusatzeinrichtung, wie offensichtlich
„untraditionell“ sie auch sein mag, doch durchaus
praktisch für manchen Dudelsackspieler oder auch Spieler von
windkapselbestückten Schalmeieninstrumenten – so etwa auch
von Krummhörnern - sein kann, liegt wohl auf der Hand. Und auch
hier kann es eine spannende Frage für mich sein, ob und wie ein
solches, für die Spieler derartiger Instrumente speziell
entwickeltes Angebot, welches ich schon seit vielen Jahren immer
wieder vorgestellt habe, vielleicht doch einmal eine Rolle bei
entsprechend aufgeschlossen aktiven Musikanten spielen könnte.
Lassen
Sie mich nun abschließend noch Folgendes sagen:
Wenn
ich in der Weise, wie sie mich nun hier erlebt haben, über die
Möglichkeiten neuartig zu gestaltender Tongeneratoren,
alternative Methoden von Klappenkonstruktionen sowie über
duodezimüberblasbare Dudelsackpfeifen mit speziellen
Feinstimmeinrichtungen usw., aber eben auch über die damit
zusammenhängenden Notwendigkeiten der Schärfung und
Weiterentwicklung bestimmter systematischer Vorstellungen und
Begriffe spreche, so muss ich mich natürlich auch mit einer
gewissen inneren Gelassenheit wappnen, denn soweit wie ich die oft
auch eigentümlich wechselhafte Geschichte des europäischen
Musikinstrumentenbaues sowie eben auch den letztlich doch
dazugehörigen Zustand der Musikinstrumentenkunde, aber eben
auch bestimmte, mir oft einfach nur als irrational erscheinenden
Auswirkungen des Traditionalismus innerhalb bestimmter Musiker-Szenen
oder auch bei bestimmten Instrumentenbauern einzuschätzen
vermag, so besteht wohl keinerlei Veranlassung zu der Annahme, dass
diese Dinge, die ich hier vortrage, nun vielleicht auch alsbald schon
auf den dafür erforderlichen „fruchtbaren Boden“
treffen werden.
Ich
sehe die Lage eher anders, denke aber, dass es durchaus möglich
sein kann, dass
diese
hier dargelegten Problemsichten doch auch zukünftig noch, oder
dann vielleicht auch „wieder“, zur Kommunikation anstehen
können. Zumindest mag dies unter den heutigen technischen
Vorraussetzungen der Informationsverarbeitung sowie den
beeindruckenden Möglichkeiten auch sinnvoll organisierter
Informationsspeicherungen, schließlich nicht als aussichtslos
gelten.
Und
falls eine solche fruchtbar in die Zukunft wirkende
„Informationserhaltung“ auch gelingen mag, so wird sich
dann vielleicht auch schon mehr zu solchen großen Fragen wie:
“Mit welcher Systematik-Auffassung wollen wir denn nun
versuchen, die Entwicklung musikinstrumenteller Technik künftig
besser zu verstehen?“ oder auch zu solch kleinen Fragen wie:
„Welche weiteren Entwicklungsmöglichkeiten sind denn nun
in Hinsicht auf eine dudelsackspezifische Doppelrohrblattklarinette
abzusehen?“ oder auch: „Wie innovationsoffen verhalten
sich eigentlich inzwischen die Spieler, aber auch die Hersteller so
genannter ’historischer’ oder auch ’traditioneller’
bzw. auch ’folkloristischer’ Musikinstrumente?“
usw. aussagen lassen. Ob nun in Form enttäuschender Antworten,
weil eben weiterhin nichts Wesentliches unternommen wurde und auch
nichts Besonderes weiter geschah, oder eher in Form weiterer
fruchtbarer Fragestellungen aus den Erfahrungen der bis dahin
unternommenen weiteren Wissenschaftsbemühungen und auch zu
vermerkenden weiteren lebendigen Musik- und
Musikinstrumenten-Entwicklungen - die es ja in jedem Falle geben
wird.
Auf
jeden Fall aber wird auch das, was wir heute dazu sagen und bislang
machen konnten, voller wichtiger Informationen für eine Zukunft
sein, von der wir zumindest wissen können, dass unsere auf diese
hin erarbeiteten Erkenntnisse und Offerten dann auch für die
Menschen in dieser Zukunft wichtig für deren eigene
Selbsterkenntnismöglichkeiten zu ihrer eben auch von uns
herrührenden Geschichte sein können. Und möglicherweise
werden sie dann am Beispiel solcher wie der hier von mir
aufgeworfenen Problemkonstellationen nicht so dastehen müssen,
wie doch wir etwa angesichts von Dolzaina, Krummhorn und „Cornamusa“
heute: mit allzu vielen, vielleicht für immer unbeantwortbaren
Fragen, die dann nur noch ins Leere gehen können…
Mit
der wachsenden Menge von sinnvoll fixierten Informationen darüber,
was Menschen bislang gedacht und getan haben, wird hoffentlich die
Menge derartiger, später „ins Leere gehender Fragen“
immer wieder dezimiert werden können. Freilich nur, falls es
auch gelingt, dass diese Informationen tatsächlich bis zu den
Menschen in dieser Zukunft gelangen, und dort auch entsprechend ernst
genommen werden können. Dass Derartiges jedoch nicht immer
gelingt, können wir bereits aus der bisherigen Geschichte
wissen.(15)
*
Anmerkungen/Quellen:
(01)
Ich
möchte betonen, dass diese Danksagung aus der Einleitung meines
Vortrages hier keineswegs als gelegentliche Floskel eingeflochten
wurde, sondern im engen Zusammenhang mit dessen Schlussformulierungen
und demgemäß auch mit der Anmerkung in Nr.15) steht.
(02)
Da
ich hier vor Angehörigen einer Musikhochschule spreche, gehe ich
natürlich davon aus, dass den Zuhörern der Unterschied
zwischen Martinshörnern einerseits und Schalmeien im bislang
landläufigen Sinne andererseits, bekannt ist und es hier also
nicht erforderlich sein wird, ausdrücklich zu verdeutlichen,
dass es sich bei den einen eher um eine bestimmte Form eines modernen
metallenen Signalhorns und bei den anderen eher um traditionelle
hölzerne Blasinstrumente handelt. Dass dann aber die aus solchen
metallnen Signalhorninstrumenten zusammengesetzten Straßenkapellen,
deren Repertoire doch wesentlich aus Marschmusik und Liedern der
Arbeiterbewegung besteht, allgemein als Schalmeienkapellen bezeichnet
wurden, kann durchaus auch so interpretiert werden, dass diese sich
an ein Volksmusikinstrument anlehnende „Begriffsbildung“
wohl auch auf dem Hintergrund einer Haltung heraus erfolgte, welche
dazu neigte, sowohl in deren Musik, als auch hinsichtlich der
sozialen Entstehungsbedingungen dieser Musizierweise, eine größere
Nähe zu Volksmusik und Volksmusikantentum zu erkennen als bei
sonstigen Marsch- und Militärmusikformationen.
(03)
So finden wir etwa bis
in die Gegenwart hinein in vielen deutschen Städten (so
beispielsweise auch in Berlin) „Pfeifergassen“ oder auch
den bis heute (so auch immer noch im Vogtland, etwa Klingenthal oder
Markneukirchen) durchaus in ehrwürdiger Weise benutzten Begriff
des „Pfeifenmachers“, und innerhalb vieler
Stadtgeschichten Deutschlands haben wohl auch Zünfte und Gilden
usw. von entsprechend achtbaren „Pfeifenmachern“ eine
nachweisbare Rolle gespielt. Vielleicht käme also auch das in
musikinstrumenteller Hinsicht zweifellos ebenfalls bedeutende Wort
„Pfeife“ statt „Schalmei“ für eine
solche wie hier von mir im Sinne von mehr Exaktheit angestrebte
„Begriffsneufestlegung“ in Frage? So betrachtet, könnte
unter dem Aspekt der hier bislang angegangenen Wortvergleichung doch
auch schon bemerkenswert sein, dass da, was unsere Geschichte
betrifft, von „Schalmeien“ durchaus weniger die Rede ist.
Was aber „Pfeifen“ betrifft, so finden wir innerhalb der
deutschen Sprache dann auch noch verschiedene weitere, sowohl auf
verschiedene Musikinstrumente als auch auf bestimmte
Rauchergerätschaften bezogene Bedeutungen des Wortes.
Aber bei seiner
Verwendung im Sinne von bestimmten Musikinstrumenten ist eben bei dem
Wort „Pfeife“ keine so deutliche Tendenz der Trennung
von Flöteninstrumenten und anderen Blasinstrumenten angelegt,
wie wir sie bei dem Wort „Schalmei“ ja durchaus
konstatieren können. Und wir können da noch etwas anderes
konstatieren, was vielleicht mit der von mir angemerkten
„etymologischen Ehrwürdigkeit“ des Wortes
zusammenhängen mag: Das Substantiv Schalmei bietet uns, ganz
anders als etwa das Substantiv „Pfeife“, in der
deutschen Sprache keine unmittelbar profanierende Anwendung auf der
Ebene des Verbs an. Wir können mit bestimmten Blasinstrumenten
zwar pfeifen oder flöten usw., mit Schalmeien hingegen können
wir nur spielen und blasen usw., aber eben nicht „schalmeien“.
Aber – und das gehört eben auch zu den Besonderheiten
bisheriger Bedeutungsmöglichkeiten dieses Substantivs –
wir könnten mit Schalmeien beispielsweise durchaus „trompeten“,
wohingegen wir mit Pfeifen eben doch eher „flöten“…
Noch deutlicher zeigen
sich die Wortunterschiedlichkeiten dann, wenn ich mich den anderen
bereits genannten Aspekten zuwende und den fragenden Blick nun etwa
im oben genannten Sinne auf die Vielfalt von Nebenbedeutungen und
weitere assoziativ unvermeidliche Sinngehalte richte, welche bei der
Verwendung der Worte „Pfeife“ und „Pfeifen“
stets mitschwingen können.
Ich meine hier
keineswegs schon die Verwendung des Wortes „Pfeife“ als
simples Schimpfwort, die mit musikinstrumentellen Aspekten gar nichts
mehr zu tun haben braucht, sondern vielmehr gerade seine
musikinstrumentell relevanten Aspekte. Wenn, wie zuweilen heute noch
gesagt wird, auf etwas „getrommelt und gepfiffen sei“,
so steht ganz fraglos das Klangbild letztlich martialisch
militärischen Musizierens im Hintergrund, und wir haben es,
zumal in Erinnerung an jüngere deutsche Geschichte, eben auch
mit spezifischen Varianten preußischer Militärmusik oder
auch der dieser Tradition durchaus nahe stehenden, spezifischen
Musizierweisen deutscher Turnervereine in der Nachfolge von
„Turnvater Jahn“, zu tun. Dass uns dabei nun auch die
zweifellos ebenfalls ausgesprochen militärmusikanalogen
Musizierweisen so genannter „Schalmeienkapellen“ der
Arbeiterbewegung in die Quere kommen, ist dabei jedoch keineswegs
historisch so fest und tief verwurzelt wie eben das eher
machtorientierte „Pfeifen auf Pfeifen“ oder auch das im
gleichen Sinnzusammenhang nahe liegende, ebenfalls sprichwörtliche
„Zurückpfeifen“ oder auch „zur Ordnung
pfeifen“. Was dieses betrifft, so können uns sowohl
besondere Flöteninstrumente, als auch bestimmte
Dudelsackpfeifen - also auch ein Instrumentarium, welches
entsprechende „Pfeifenklänge“ sowohl im Zusammenhang
mit Landsknechtsaufmärschen und etwa auch dudelsackbegleiteten
öffentlichen Hinrichtungen, als auch mit entsprechend akustisch
gestaltetem Polizei- oder auch Schiedsrichter-Verhalten assoziieren
muss, im Sinn sein. Ganz klar, dass sich mit Pfiffen und
Polizeipfeifen effektiv „zur Ordnung pfeifen“ oder eben
auch zum „Angriff blasen“ lässt, wohingegen uns der
Hirte mit seiner Schalmei eben eher auf den Frühling einstimmen
wird oder dann auch zu anderen Jahreszeiten die Vorstellung
friedlicher Kommunikation mit seiner Herde oder seinen Kollegen
vermitteln kann. Und wenn ich nun auch noch mit eher mutwilligen
Beispielen übertreiben wollte, so könnte ich hinzufügen,
dass doch oftmals gerade das Wort „Schalmei“ wohl eher im
Zusammenhang mit Engeln, als etwa in Verbindung mit Polizisten und
Soldaten oder gar dudelsackblasenden Mitgestaltern von
Hinrichtungszeremonien auftaucht, auch wenn gerade die Letzteren doch
wieder „Schalmeien“ als ihre Melodie-„Pfeifen“
nutzen. Aber auch ohne solche Übertreibungen und entsprechend
widersprüchliche Reflexionen dazu, lassen sich eben doch
deutliche Differenzierungen bezüglich der kulturellen
Bedeutungsbelegung und konkret möglicher musikinstrumenteller
Sinnbelegungen bei diesen beiden, inhaltlich letztlich doch ganz
andersartigen Musikinstrumentenbezeichnungen vermerken.
(04)
Das
mit dieser von M. Prätorius benutzten Bezeichnung für das
hier in Rede stehende Instrument ein offensichtlich unglücklich
gewählter und irreführender Begriff in die
musikwissenschaftliche Literatur geraten ist, sollte meiner Meinung
nach stets entsprechend beachtet und demgemäß auch
kritisch gesehen werden.
(05)
Eichler,
Bernd H. J., Das Hümmelchen – ein altdeutscher Dudelsack,
Leipzig 1990
(06)
Eichler,
Bernd H. J., Dudelsäcke im europäischen Spannungsfeld
zwischen Ost und West;
(Vortrag
vom 4.12.2004 zur Internationalen Arbeitstagung "Musikinstrumentenbau
im interkulturellen Diskurs" des Musikwissenschaftlichen
Seminars der Universität Bonn.);
sowie:
Eichler,
Bernd H. J., Das Hümmelchen – ein altdeutscher Dudelsack,
Leipzig 1990
(07)
Eine
weitere Besonderheit der dünnwandigen Messingröhren dieses
Tongenerators besteht darin, dass diese, falls sie sich durch
Übernutzung innerhalb der „Führungshülse“
gelockert haben sollten und insofern auch nicht mehr luftdicht
abschließen, auch mit geringem Werkzeugaufwand jederzeit wieder
angepasst bzw. „aufgeweitet“ werden können.
(08)
Aus
heutiger Sicht erscheint es mir nicht nur besonders bemerkenswert,
sondern im Nachhinein auch als durchaus aufschlussreich, dass sich -
zunächst emporrankend an einer Kritik zu dieser kleinen
Metallhülse - im Weiteren dann eine ganz ausgeprägte,
letztlich zunehmend steigernde Diskriminierungskampange gegen meine
musikinstrumentenkundlichen und folkloristischen Initiativen in der
DDR ergab, wobei ich hier nur auf die damaligen Argumente seitens des
ASMW in Markneukirchen verweisen möchte. Auf dieser quasi
„staats-amtlichen“ Ebene von
Musikinstrumentenbeurteilungen war damals davon die Rede, dass mit
der „traditionsverletzenden Einbringung einer solchen
Metallbuchse in ein Holzblasinstrument, eine das Instrument
gefährdende, ’doppelte Kondensationsstelle’
geschaffen werde“, wozu alsbald auf anderen Ebenen dann auch
davon die Rede war, dass „in Eichlers Schalmeien offenbar
metallne Hohlnieten mit dem Hammer ins Holz“ eingeschlagen
werden…
(09)
Eichler,
Bernd H. J., Das Hümmelchen – ein altdeutscher Dudelsack,
Leipzig 1990
(10)
Eichler,
Bernd H. J., Einige
Bemerkungen zur Dudelsackentwicklung in der DDR und zu erweiterten
Möglichkeiten eines Hümmelchen-Instrumentes, (Vortrag beim
Internationalen Festival der Dudelsackpfeifer, August 1989 in
Strakonice CSSR)
(11)
Eichler,
Bernd H. J., Dudelsäcke im europäischen Spannungsfeld
zwischen Ost und West;
(Vortrag
vom 4.12.2004 zur Internationalen Arbeitstagung "Musikinstrumentenbau
im interkulturellen Diskurs" des Musikwissenschaftlichen
Seminars der Universität Bonn.);
sowie
Eichler,
Bernd H. J., Das Hümmelchen – ein altdeutscher Dudelsack,
Leipzig 1990
(12)
Natürlich
habe ich auch selbst einmal das Doppelrohrblatt dieses Instrumentes
auf einen Eb-Klarinettenkörper aufgesetzt und tonerzeugend
angeblasen, jedoch ohne dann etwa noch weitergehend zu versuchen, nun
auch die akustische Länge dieses Klarinettenkörpers und
seine entsprechende Klappenmechanik diesem Tongenerator genauer
anzupassen…
(13)
Eichler,
Bernd H. J., Einige
Bemerkungen zur Dudelsackentwicklung in der DDR und zu erweiterten
Möglichkeiten eines Hümmelchen-Instrumentes, (Vortrag beim
Internationalen Festival der Dudelsackpfeifer, August 1989 in
Strakonice CSSR) In: www.bhje.de
Damals
vertrat ich noch ein anderes Konzept in Hinsicht auf weitere
Tonlochbohrungen und meine entsprechende Hümmelchen-Pfeife
verfügte weder über die nunmehrige Doppellochbohrung, noch
über die Präzision bestimmter heutiger Details...
(14)
Da
das hier vorgestellte Instrument nur über „Längsklappen
mit Querachsen“ verfügt, welche jeweils nur eine
Drahtschelle erfordern, möchte ich ausdrücklich darauf
hinweisen, dass selbstverständlich auch „Querklappen mit
Längsachsen“ auf diese Weise montiert werden können,
welche dann allerdings zwei etwas anders gestaltete Drahtschellen
erforderlich machen können.
(15)
Ich
habe diese abschließenden Sätze auch im Rückblick
auf meine Danksagung aus der Einleitung dieses Vortrages formuliert,
da ich nicht davon absehen kann, mit welcher Stringenz und welch
hohem personellen, organisatorischen und finanziellen Aufwand doch
die neue politische Administration nach dem Zusammenbruch der DDR
dafür gesorgt hatte, mir genau solche Möglichkeiten
weitgehend zu verschließen und eben auch Menschen wie mich aus
dem normalen Wissenschaftsbetrieb weitmöglichst auszuschließen.
Also auch bestimmte Informationen über das, was diese wirklich
gedacht und getan haben, möglichst nicht zukunftsrelevant werden
zu lassen.
*